Joschka Fischer wird Scheinheiliger

Der grüne Außenminister übernimmt vor dem Visa-Untersuchungs-ausschuss für alles und jeden die politische Verantwortung – für seine eigenen Fehler, für seine Mitarbeiter, für Pannen im Auswärtigen Amt: „Schreiben Sie rein, der Fischer ist schuld.“ Damit soll’s dann aber auch gut sein. Bei konkreten Nachfragen beruft sich Fischer auf seine Erinnerungslücken

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hat vor dem Visa-Untersuchungsausschuss sein Heil in der Offensive gesucht. Er gestand eigene Fehler ein, verteidigte jedoch gleichzeitig kämpferisch die rot-grüne Einreisepolitik. „Ich hätte früher informiert [sein] und früher eingreifen müssen. Das ist mein Versäumnis“, sagte Fischer am Montag in der live vom Fernsehen übertragenen mehrstündigen Aussage vor dem Untersuchungsausschuss. Auf Fehler seiner Mitarbeiter angesprochen, weigerte sich der Minister, „konkrete Schuldzuweisungen“ vorzunehmen. Auch für die Versäumnisse seiner Mitarbeiter stehe er gerade. Als Fischer gefragt wurde, welche konkreten Folgen dieses Schuldeingeständnis nach sich ziehe, antwortete er: „Verantwortung zu übernehmen heißt, die Dinge besser zu machen.“ Wenn die Union seine Ablösung betreiben wolle, müsse sie einen Antrag auf seine Entlassung im Bundestag stellen. Der Opposition insgesamt warf der Außenminister „infames und niederträchtiges“ Verhalten vor, weil sie den Visa-Missbrauch zu Wahlkampfzwecken skandalisiere. Es gebe keine belastbaren Zahlen dafür, dass Zwangsprostitution und Schwarzarbeit aufgrund des Missbrauchs gestiegen seien. Fischer musste während der Vernehmung mehrmals Erinnerungslücken einräumen, etwa bei der Frage, ob er zwischen 2000 und 2003 von Botschaftern auf Misstände angesprochen worden sei: „Mir liegt da keine Erinnerung vor.“ J. K.

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