JUNGPOLITIKER ALLER FRAKTIONEN VEREINIGEN SICH – FÜR DAS KAPITAL
: Der Nachwuchs stellt die falsche Frage

Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, wenn wieder etwas Luft zum parteiübergreifenden Denken ist, wollen ein paar Dutzend Abgeordnete aller Fraktionen fordern, Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit ins Grundgesetz zu schreiben. Die Politik steckt zu sehr im Jetzt, also soll sie im Zweifel vom Bundesverfassungsgericht mit der Nase aufs Allzubald gestoßen werden – so lautet die Logik. Schon sieht man unsere Jungpolitiker nach Karlsruhe wandern, wenn sie in ihren Fraktionen wieder einmal abgemeiert worden sind.

Doch es geht nicht nur darum, ob die Parteien ihre Probleme von höchsten Richtern lösen lassen sollten. Das Verlangen nach Generationengerechtigkeit formuliert die Vermutung, eine Generation werde diskriminiert und brauche deshalb Schutz, Anerkennung und Unterstützung. All dies lässt sich jedoch für zum Beispiel die heute 30-Jährigen schwer behaupten. Oder möchte irgendeine Jungpolitikerin vielleicht zurück in die 50er-Jahre?

Außerdem: Was heißt denn Generationengerechtigkeit sozialpolitisch? Ein großer Teil der Generationenpolitiker versteht unter Gerechtigkeit offenkundig eine Privatisierung der Sozialsysteme. Motto: Ihr Alten wollt doch bloß jetzt durchgefüttert werden, und nachher sitzen wir dafür auf dem Trockenen – dann jetzt lieber gleich auf in die Finanzmärkte! Auf diese Weise wird aus Generationengerechtigkeit die Gerechtigkeit des Kapitals. Über die aber sind wir ja nun dank SPD-Chef Franz Müntefering endlich aufgeklärt worden. Das Gleiche gilt für die Forderung nach Schuldenabbau: Natürlich sind Schulden böse, und Zinslasten beschränken politisches Handeln. Dass aber blanker Schuldenabbau politisches Handeln nicht leichter macht, hat Rot-Grün auch bereits gemerkt.

Die Generationengerechtigkeit beantwortet nicht die Fragen nach Umverteilung oder Privatisierung und auch nicht die nach Sparen oder Investieren. Die müssen jeden Tag neu beantwortet werden – auf Grundlage des jeweils vorhandenen gesellschaftlichen Reichtums, und idealerweise auch für die komplette Generationengemeinschaft.

ULRIKE WINKELMANN