Kirche lässt Aids-Hilfe wieder auferstehen

2003 strich der Senat der Bremer Aids-Hilfe alle Fördergelder, jetzt hat sie dank Spenden den Neuanfang geschafft. Ein „Vorbild“ auch für andere soziale Projekte, findet die CDU. SPD und Grüne protestieren – und das Sozialressort schweigt dazu

„Das Vorbild der Aids-Hilfe darf jetzt nicht missbraucht werden“ sagt Karoline Linnert

Bremen taz ■ Die Aids-Hilfe lebt. Nachdem ihr die große Koalition 2003 alle öffentlichen Mittel – 160.000 Euro pro Jahr – gestrichen hatte, schafft sie jetzt aus eigener Initiative einen Neuanfang. Mit Hilfe von Spenden wurden zwei neue Stellen geschaffen: Neben dem Geschäftsführer Thomas Fenkl hat nun auch eine Verwaltungskraft wieder das Büro bezogen. Gleichwohl kocht die neue Aids-Hilfe auf Sparflamme: Früher arbeiteten in den Räumen am Sielwall fünf MitarbeiterInnen.

An der Finanzierung hat sich die Bremische Evangelische Kirche maßgeblich beteiligt, die rund 10.000 Euro zur Verfügung stellte. Zudem spenden zahlreiche evangelische Kirchengemeinden ihre Sonntagskollekte – bis zu 500 Euro monatlich kommen der Aids-Hilfe auf diese Weise zugute. Weitere 750 Euro pro Monat stammen aus dem so genannten „small deal“, bei dem Privatspender monatlich kleinere Beträge überweisen.

Für das Sozialressort – einst verantwortlich für das Aus der Bremer Aids-Hilfe – ist deren Wiederaufbau eine gute Nachricht. „Das kann man nur begrüßen“, freut sich Sprecherin Heidrun Ide.

Doch das Beispiel könnte Schule machen: Der Gedanke liegt nahe, dass das Sozialressort in neuen Sparrunden anderen sozialen Initiativen ebenfalls die Fördergelder streicht – und sie auf das Vorbild der Aids-Hilfe verweist, die nun ohne staatlichen Zuschuss auskommt. Ide wollte sich dazu nicht äußern.

Der sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion Frank Pietrzok, will aus dem Modell der Aids-Hilfe indes „keine Konsequenzen“ für andere soziale Initiativen ableiten. Die Grünen pflichten bei: „Grundständige soziale Arbeit darf nicht allein aus Spenden finanziert werden“, betont die Fraktionsvorsitzende der grünen Fraktion, Karoline Linnert. Das „sehr beachtliche“ Vorbild dürfe keinesfalls missbraucht und verallgemeinert werden.

Bei den CDU sieht man das etwas anders: Zwar werde es nicht allen Initiativen gelingen, „so schlagkräftig zu agieren wie die Aids-Hilfe“, so Rita Mohr-Lüllmann (CDU), sozialpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Dennoch könne die Aids-Hilfe Vorbild sein für Projekte wie das schwul-lesbische Rat-und-Tat-Zentrum. Es sei durchaus „wünschenswert“, dass andere Initiativen dem Beispiel der Aids-Hilfe folgten.

Für Thomas Fenkl indes sind Spenden der einzige Weg, um weiter arbeiten zu können. Täglich rund zehn Telefon-Beratungen verzeichnet Fenkl, etwa so viele Menschen suchen die Aids-Hilfe Tag für Tag persönlich auf. Hinzu kommen derzeit fünf Präventionsveranstaltungen in Schulen pro Monat oder die aufwändige Betreuung von Aids-Erkrankten.

Es wenden sich auch Klienten, die nicht selbst mit ihrem Geld haushalten können, hilfesuchend an die Aids-Hilfe. Rund 20 Menschen, so Fenkl, haben die Verwaltung und Auszahlung ihrer monatlichen Gelder an die Einrichtung abgegeben – Tendenz steigend.

Den Grund für diese Entwicklung sieht Fenkl auch in den Hartz-Gesetzen. So sind für Empfänger von Arbeitslosengeld II die bezeichneten „Hilfen in besonderen Lebenslagen“ in aller Regel nicht mehr vorgesehen, auch größere Anschaffungen müssen deshalb aus eigenen Rücklagen bestritten werden. Das aber setze eine Sparsamkeit und Disziplin voraus, so kritisiert Fenkl, die gerade bei Drogenkranken „völlig an der Wirklichkeit vorbeigeht“.

frs