Das bisschen Landeshaushalt

Die Verschuldung ist in Nordrhein-Westfalen nicht höher als im Länderdurchschnitt. Doch in den nächsten Jahren stehen große Sparaufgaben an

VON MARTIN TEIGELER

Emotionale Auftritte sind sonst nicht die Sache von Jürgen Rüttgers. Doch als vor einigen Wochen im Landtag über den Nachtragshaushalt 2004/2005 debattiert wurde, kam der CDU-Spitzenkandidat aus sich heraus. Rüttgers bezeichnete SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück als „den größten Schuldenmacher in der Geschichte Nordrhein-Westfalens“. Die „hemmungslose Schuldenpolitik“ spalte das Land, rief Rüttgers gen Regierungsbank. Die Haushalts- und Finanzpolitik der Düsseldorfer Koalition fasste Rüttgers so zusammen: „Rot-Grün macht arm.“

Rüttgers machte den Amtsinhaber Steinbrück persönlich für die Defizite verantwortlich. Als Finanzminister und Regierungschef habe der Sozialdemokrat fast 32 Milliarden Euro Schulden angehäuft, so die Kritik des Oppositionsführers. Wenn es um die Miesen geht, wird Kandidat Rüttgers regelmäßig emotional. Im Wahlkampf wettern CDU-Kandidaten und FDP-Bewerber von Aachen bis Bielefeld pathetisch gegen die „Schuldenmacher aus Düsseldorf“, die sich an der „Zukunft der folgenden Generationen“ vergreifen.

SPD und Grüne reagieren eher defensiv auf die Wahlkampfrhetorik. Besonders Ministerpräsident Steinbrück muss sich Vorwürfe gefallen lassen, dass er in der Landeshauptstadt einmal als Sparkommissar angetreten war. Im August 2000, die Legislaturperiode hatte gerade begonnen, drohte der damalige Finanzminister Steinbrück seinen sparunwilligen Kabinettskollegen etwa mit Strafen. Ministern, die den angestrebten Personalabbau innerhalb ihrer Ressorts nicht umsetzten, sollten die „Daumenschrauben“ angelegt werden. Steinbrück wollte ein Sanktionssystem durchsetzen, um den Abbau von rund 14.000 Stellen in der Landesverwaltung zu beschleunigen. Angesichts der angespannten Haushaltslage seien Opfer aller Ressorts unumgänglich, so Steinbrück damals.

Doch die harte Sparlinie ließ sich nicht ganz durchhalten. Erst platzte die weltweite Finanzblase rund um die „New Economy“, dann folgte der Konjunktureinbruch nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Wegen der folgenden Wirtschaftskrise und einbrechender Steuereinnahmen musste SPD-Bundesfinanzminister Hans Eichel seine ambitionierten Konsolidierungsziele ebenso aufgeben wie viele Kollegen in den Bundesländern. Fast alle Länderkämmerer reagieren seitdem mit Nachtragshaushalten und neuen Schulden auf die ökonomische Entwicklung.

In Düsseldorf unternahm die rot-grüne Koalition eine letzte Sparanstrengung. Ende 2003 – Steinbrück war mittlerweile Ministerpräsident – brachte sein Finanzminister-Nachfolger Jochen Dieckmann (SPD) den Doppelhaushalt 2004/2005 in den Landtag ein. Auch bei sozialen Einrichtungen wie Kindergärten und Jugendzentren wurde gespart. „Das Kabinett hat sich keine Kürzung leicht gemacht“, sagte Dieckmann. Es gebe aber keine Alternative zu den Einsparungen in Gesamthöhe von rund fünf Milliarden Euro, die gegen den Widerstand von Opposition, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden durchgesetzt wurden. Später musste Dieckmann den Sparetat durch neue Kredite flicken und zusammenhalten. Eine durchgreifende Sanierung steht in Düsseldorf also genauso aus wie in Berlin und anderen Landeshauptstädten.

„Es gibt in NRW im Vergleich zu anderen Ländern kein gravierendes, überdurchschnittliches Problem“, sagt der Ökonom und Finanzwissenschaftler Helmut Seitz, der über die Nachhaltigkeit der Länderhaushalte geforscht hat. Wenn im Wahlkampf von einem „Verschuldungskurs“ der SPD-Regierung gesprochen werde, könne dieser Vorwurf leicht auf die Opposition zurückfallen. CDU-geführte Regierungen hätten in der Vergangenheit (Beispiel in den 1980er Jahren: Schleswig-Holstein) und heute (Thüringen) eine weniger nachhaltige Haushaltspolitik betrieben. „Große Probleme sehe ich für NRW in der Zukunft“, sagt Seitz. Ein Risiko seien die hohen Personal- und Pensionskosten für die gut 500.000 Landesbediensteten. Schon heute wendet das Land 20 Milliarden Euro pro Jahr für den Personaletat auf. Das ist fast die Hälfte des Haushalts – und eine große Sparaufgabe für die kommende NRW-Regierung.