Umwelt-Oskar für kühle Sonne

Ein deutsch-türkischer Solarunternehmer aus Aachen gewinnt den Energy-Globe Award. Ahmet Lokurlu kann mit Sonnenenergie Klimaanlagen und Swimmingpoole gleichermaßen versorgen

Hände geschüttelt und Auszeichnungen entgegen genommen hat Ahmet Lokurlu schon öfters. Doch diese Woche ist für den deutsch-türkischen Solar-Unternehmer aus Aachen etwas Besonderes. Mittwoch Abend erhielt der 41-Jährige auf der EXPO 2005 in Tokio den „Energy Globe Award“, Kofi Annan gratulierte. Lokurlu wird für Pionierarbeit bei solarer Klimatisierung zum Energie-Weltmeister gekürt.

Mit der Hitze der Sonne kühlen. Dieser scheinbare Widerspruch ist seit der Erfindung von Solarkollektoren eine Herausforderung für Erfinder und Ingenieure. Das Ziel besteht darin, Sonnenwärme mit einer Absorptionskältemaschine zu nutzen. Solche Geräte kennt man zum Beispiel vom Campingmobil oder dem Segelboot. Sie produziert mit einem kleinen Gasflämmchen Kälte. Auch in der Industrie werden solche Maschinen eingesetzt, um aus überschüssiger Prozesswärme Kälte zu erzeugen. Solar betriebene Absorptionskältemaschinen gibt es schon seit einigen Jahren. Sie nutzen die in herkömmlichen Solarkollektoren erzeugte Wärme von 80 bis 90 Grad Celsius aus. Ihr Wirkungsgrad ist aber nicht besonders hoch. Die Effizienz könnte sich erheblich verbessern, wenn eine heißere Wärmequelle zur Verfügung stehen würde.

Lokurlu machte sich deshalb schon vor fünf Jahren auf die Suche nach einem Solarkollektor, der etwa 200 Grad Celsius erzeugen kann. Diese Temperatur wird für den Betrieb einer besonders effektiven zweistufigen Absorptionskälteanlage gebraucht. Da der Aachener auf dem Markt keine geeigneten Anlagen finden konnte, entwickelten er und seine Mitarbeiter den Parabolrinnenkollektor 1800 PCT selbst – bis zur Serienreife. Rinnenförmige Spiegel fangen die Sonne ein, das konzentrierte Sonnenlicht wird auf ein Absorberrohr reflektiert und erhitzt dieses auf 180 bis 200 Grad. Die Kollektoren können auch in Dächer integriert werden. „Wir konnten den Wirkungsgrad beinahe verdreifachen, dadurch wurden die Investitionskosten entsprechend gesenkt. Somit kann unser System in den meisten Regionen der Welt wirtschaftlich eingesetzt werden“, so Lokurlu.

Dass die neue Technologie funktioniert, bewies er im „Iberotel Sarigerme Park“ der TUI-Gruppe im türkischen Dalaman. Seit 2004 versorgen mehrere Reihen von Parabolrinnen-Kollektoren das 1.000-Betten Hotel mit Energie in Form von Hochtemperaturwärme. Im Sommer wird diese in Kälte für die Klimaanlage und Wasserdampf für die Wäscherei umgewandelt. Im Winterbetrieb werden Swimmingpool und Hotelzimmer beheizt. Nach Angaben von Lokurlu arbeitet die Anlage bisher sehr zuverlässig, nach vier bis sechs Jahren hätten sich die Investitionenschon gelohnt, die Anlage könne sich dann selbst tragen.

Mittlerweile geben sich bei seiner Firma Solitem im Aachener Technologiezentrum Interessenten aus der ganzen Welt die Klinke in die Hand. „Wir haben neue Aufträge von Hotels und Krankenhäusern in der Türkei, Jordanien und Marokko“, freut sich Lokurlu. Vor kurzem stellte er in Aachen drei neue Mitarbeiter ein und bezog am Europaplatz größere Büroräume. Insgesamt sind derzeit 16 Mitarbeiter für das deutsch-türkische Unternehmen tätig. Entwickelt wird in Aachen, montiert in der Zweigniederlassung in Ankara. „Sie tragen dazu bei, den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen zu sichern und auszubauen“, schrieb Landesverkehrs- und Energieminister Axel Horstmann (SPD) im Dezember 2004.

1988 kam der in Kars im Nordosten der Türkei geborene Lokurlu als studierter Maschinenbau-Ingenieur nach Deutschland. In Essen studierte er Energie- und Verfahrenstechnik, promovierte an der RWTH Aachen nach einem Aufbaustudium als Wirtschaftsingenieur. 1998 wechselte er in die Brennstoffzellenentwicklung beim Forschungszentrum Jülich und gründete 1999 seine Firma. Ein „Nebenjob“, der immerhin so erfolgreich ist, dass nun am 27. April der Umwelt-Oscar ins Rheinland geht. Bereits im vergangenen Herbst erhielt Lokurlu den R.I.O. Innovationspreis der Aachener Stiftung Kathy Beys, Anfang März wurde er vom türkischen Akademikerverband in Frankfurt am Main für seine Pionierarbeit geehrt.

HANS-CHRISTOPH NEIDLEIN