Statistische Mieten-Ente

Solidarische Hilfe zieht traurige Bilanz der Hartz IV-Umsetzung und fordert Politik zum Handeln auf: Wohnungsbaugesellschaften sollen günstige Wohnungen vorhalten

bremen taz ■ Die Arbeitslosenberatung „Solidarische Hilfe“ zieht für Bremen nicht nur eine traurige Bilanz der ersten 115 Tage mit der Hartz IV-Gesetzgebung: Die Leistungsbescheide über das Arbeitslosengeld II seien von Laien und Fachleuten nicht zu durchschauen und viel schlechter als die früheren Sozialhilfebescheide. Auch ihre Prognose für die Zukunft fällt düster aus: Wegen der Mieten werde es – anders als von der Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (Bagis) bislang dargestellt – zu massenhaften Umzügen kommen. Dabei sei völlig unklar, wohin. Denn ausreichend bezahlbarer Wohnraum stehe nicht zur Verfügung.

Das jedenfalls ergab eine erste Kostenanalyse der Berater – und die entspricht zudem ersten Hochrechnungen anderer Beratungseinrichtungen. Die Solidarische Hilfe fordert nun, Bremen müsse politischen Einfluss auf die Wohnungsbaugesellschaften nehmen, damit diese ein bestimmtes Kontingent an bezahlbaren Wohnungen bereit stellen. Die erstattungsfähige Obergrenze für Mietkosten anzuheben, werde keine Entlastung bringen. In der Vergangenheit jedenfalls hätten derartige Anhebungen stets einen Anstieg der geforderten Mieten am Markt zur Folge gehabt. „Dann bekämen auch diejenigen Menschen Probleme, deren Wohnungen bis jetzt unterhalb der Mietobergrenze liegen“, warnt Herbert Thomsen von der Solidarischen Hilfe.

Mit dieser Darstellung widerspricht die Solidarische Hilfe ersten Angaben der Bagis, wonach die Mietobergrenze im Durchschnitt eingehalten werde. Bei Einzelpersonen beispielsweise liege die gezahlte Miete inklusive Nebenkostenanteil nach ersten Rechnungen bei 243 Euro, hatte es geheißen. Nach Recherchen der Solidarischen Hilfe ist dieses Ergebnis auf eine „statistische Ente“ zurückzuführen: In die Rechnung fließen nämlich auch Einzelpersonen ein, die sich eine große Wohnung beispielsweise mit Verwandten teilen. Da verfälsche der 19-jährige Schüler mit seiner umgelegten Zimmermiete von 170 Euro völlig das Bild. Gleiches gelte für die Gruppe der ehemaligen SozialhilfebezieherInnen, denen die Miete auch als jetzige BezieheriInnen von Arbeitslosengeld II wegen zurückliegender Umzugsaufforderungen schon heute nicht mehr voll erstattet wird. Dies kritisiert die Solidarische Hilfe nicht nur als Ungleichbehandlung, die gesetzlich nicht gedeckt sei – sondern als zusätzliches Handicap beim Errechnen eines Miet-Durchschnitts. „Man darf doch in eine solche Berechnung nicht bereits gekürzte Mieten einbeziehen. Genau das ist aber geschehen“, sagt Thomsen.

Bagis-Vize Eckhard Lange bestätigt diese Einwände vorsichtig. Tatsächlich seien die ersten veröffentlichten Zahlen nur Näherungswerte, die noch verfeinert und genauer betrachtet werden müssten. Eine Einschätzung zum Ausmaß der Umzugsaufforderungen, die nach dem ersten halben Hartz IV-Jahr ab Juni möglich sein sollen, halte er jedoch für verfrüht.

ede