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In Paris tagen die Intellektuellen, und siehe: Der französische Präsident Jacques Chirac hat für die EU-Verfassung geworben. Die Verfassung, über die Frankreich am 29. Mai abstimmt, bringe das „Europa der Kultur“ erheblich voran, sagte Chirac gestern zu Beginn einer zweitägigen Kulturkonferenz vor hunderten Künstlern, Kulturschaffenden und Intellektuellen aus Europa. Chirac hat dazu etwa 500 Kulturpersönlichkeiten aus den 25 EU-Ländern in den Élysée-Palast geladen. Unter den insgesamt mehr als 800 Teilnehmern sind der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk, Berlinale-Chef Dieter Kosslick, Sänger Herbert Grönemeyer und Theaterregisseur Thomas Ostermeier. Die Pariser Kulturkonferenz will konkrete Vorschläge zum Aufbau eines Europa der Kultur ausarbeiten. Sie setzt eine Diskussion vom November 2004 in Berlin fort. Die Vorschläge sollen später in eine „Charta für Europa“ münden.

Apropos europäische Kultur: Der venezianische Ausstellungstempel Palazzo Grassi hat einen neuen Eigentümer – der französische Geschäftsmann François Pinault hat 80 Prozent des Palasts gekauft. Die restlichen 20 Prozent bleiben im Besitz der Spielbank Venedig, die das berühmte Haus Ende Januar vom Fiat-Konzern übernommen hatte. Wann der Palast wieder für Kunstschauen öffnet, ist noch offen. Möglicherweise gebe es bereits im Herbst eine neue Ausstellung, sagte ein Sprecher des Kulturamtes von Venedig gestern der dpa. Zuletzt war 2004 eine Schau mit Hauptwerken des spanischen Surrealisten Salvador Dalí zu sehen. Der Kaufpreis für Pinault und seine Gesellschaft Artis wurde auf fast 29 Millionen Euro beziffert. Der 69-jährige Franzose ist unter anderem Herr über das Modeunternehmen Gucci und das Auktionshaus Christie’s. Er verfügt über eine bedeutende Sammlung moderner Kunst, die er zum Teil im Palazzo Grassi ausstellen will.

Heute beginnt das Freiburger Film Forum Ethnologie. Das alle zwei Jahre stattfindende Festival präsentiert ethnografische Dokumentarfilme sowie Weltkino. In diesem Jahr bilden Filme aus Ozeanien einen Schwerpunkt. Gezeigt werden Robert Flahertys Klassiker „Moana“, eine australische TV-Produktion zum samoanischen Gender-Verständnis sowie neue Filme aus Neuguinea, in denen Einheimische und Ethnologen über ihre Situation in der postkolonialen, globalisierten Welt philosophieren. Ein weiterer Schwerpunkt trägt den Titel „Family Affairs“ und versammelt Filme, die sich mit Familie und Partnerschaft in der globalisierten Welt befassen. Außerdem widmet das Filmforum eine Sonderreihe dem herausragenden Werk des Dokumentarfilmers Jean Rouch, der letztes Jahr starb.