DIE ACHSE DES ROCK VON THOMAS WINKLER
: Konzeptkunst-Alarm

Man sei, verkünden Lansing-Dreiden auf ihrer Website, mitnichten nur eine Rockband. Sondern „eine Firma, die keinen Unterschied macht zwischen Kunst und Kommerz“. Der geschäftliche „Output“ beschränkt sich auch nicht auf Musik, sondern umfasst Videofilme, Kunstobjekte, Produktdesign für Schmuckkollektionen und „die Konstruktion von Erzählungen“, was immer das sein mag. Zudem verzichtet das in New Yorker Kollektiv auf Bilder von sich, verweigert Interviews von Angesicht zu Angesicht und beantwortet Fragen nur mit im Philosophiegrundkurs geschulten E-Mails. Auch tritt man selbst nicht live auf, sondern engagiert dafür stellvertretende Musikanten. Ein schwerer Fall von Konzeptkunst.

Nun dienen theoretische Überbauten ja gern dazu, musikalische Überflüssigkeiten aufzupeppen. Auch Lansing-Dreiden erfinden den Rock nicht neu, aber spielen doch flott auf: Artifizielle Songkonstrukte und stumpf heruntergeprügelte Schweinerocker, ambientartige Stimmungsminiaturen, Garagenrock und pathetische Hardrock-Epen finden sich so unbehelligt nebeneinander, dass Eklektizismus ein zu milder Vorwurf ist. Wüsste man nicht, dass es sich um ein paar Studenten Anfang zwanzig handelt, könnte man denken, Progrockgruppen wie Saga oder Asia versuchten an die Gegenwart anzudocken.

Lansing-Dreiden: „The Incomplete Triangle“ (Kemado/Rough Trade)

Ich werd’ zum Tier

Wendelins Kumpel Wum war es, der einst mit „Ich wünsch mir eine kleine Miezekatze“ die deutschen Charts stürmte. Nicht anzunehmen, dass Will Johnson zu Hause in Denton, Texas, jemals von Loriots Zeichentrickgeschöpf gehört hat, aber in gewisser Weise hat er drei Jahrzehnte später trotzdem eine Replik aufgenommen: Für sein Nebenprojekt South San Gabriel schrieb der Mastermind der Alternative Rocker Centro-matic einen Song-Zyklus aus tierischer Sicht. Ein Verfahren, das in der Literatur durchaus gebräuchlich ist, in der Musik aber bis zu „The Carlton Chronicles“ unbekannt war.

Nun aber macht sich Kater Carlton, dessen Verhältnis zu seinem Besitzer nicht immer ganz unproblematisch ist („My playing with paper sacks should impress you, you see?“), auf den Weg, dem Sperling Ron den Garaus zu machen („Your feathers decorating my teeth“), um damit seinen Schwarm Kittyphone zu beeindrucken („Lick my arm and scrub my face“). Die folgenden Verwicklungen führen Carlton in die dunkle Garage, durch die Nacht und schließlich gedemütigt zurück aufs Sofa, und schenken uns wundervoll kontemplative, melancholische Songs. Und die Erkenntnis: Es geht den Menschen wie den Leuten und den Tieren auch nicht besser.

South San Gabriel: „The Carlton Chronicles: Not Until The Operation’s Through“ (Munich/Indigo)

Gemeinsam zum HipHop

Das Konzept hinter 13 & God ist simpel. Es heißt Kooperation. Man nehme Notwist und Themselves in gleichen Mengen und hoffe, dass das Ergebnis mehr sein möge als die Summe seiner Teile. Die Idee zur Zusammenarbeit zwischen Weilheim und Berkeley entstand während gemeinsamer US-Auftritte, als der Tourbus seinen Geist aufgab.

Von den zum Atonalen neigenden Attacken des Trios aus Kalifornien, denen ein Taktschema vor allem zum Zerstückeln dient, ist auf dem Album allerdings kaum etwas übrig geblieben. Stattdessen hat sich die bayerische Gemütlichkeit der Großmeister der deutschen Indietronics durchgesetzt. Von dem eh schon meist träge vor sich hin groovenden Notwist-Ansatz wird nun noch einmal eine Dub-Version gefertigt: Unmerklich moduliert der Rhythmus, in den Hintergrund werden Keyboard-Figuren getupft, die Stimme von Markus Acher scheint fast noch schläfriger als sonst und die Atmosphäre gibt sich stahlblau bis grimmig düster. Der Beitrag von Themselves beschränkt sich auf zum TripHop verlangsamte HipHop-Beats, entspannte Raps und einige scherzhafte Sounds, die sich die bayerischen Freunde sonst wohl kaum getraut hätten. So führt der Schulterschluss immerhin dazu, dass das nimmersatte Notwist-Universum nach Jazz (Tied & Tickled Trio) nun auch noch um HipHop erweitert wurde.

13 & God: „13 & God“ (Alien Transistor/ Hausmusik/Indigo)