„Für Berlin ist Hannah Höch einsame Spitze“

Jörn Merkert, Chef der Berlinischen Galerie, betont den hohen Stellenwert der Künstlerin Hannah Höch für Berlin. Er hofft, dass ihr Garten in liebevolle Hände gegeben wird

taz: Herr Merkert, welchen Stellenwert hat Hannah Höch in der Berliner Kunst?

Jörn Merkert: Hannah Höch ist die Weltmeisterin unter den Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts in Berlin. Sie ist die Erfinderin der Fotomontage, die für den Berliner Dadaismus prägend ist.

Die Berlinische Galerie hat etliche Werke von ihr in der Sammlung …

… wir haben auch ihr umfassendes Archiv. Höch war nicht nur eine herausragende Künstlerin, sie war auch Netzwerkerin weit über die Berliner Dadaszene hinaus. Sie hat alles aufbewahrt. Jeden Notizzettel, jede Eintrittskarte, jede Postkarte. Da Dada sich als Antikunst verstanden hat, könnten wir das gar nicht anschaulich machen, wenn sie nicht alles aufgehoben hätte. Aus dem von ihr gesammelten Material ist auch der politischer Kontext der Berliner Dadaszene ersichtlich. Im Vergleich zu Dada Zürich etwa, wo eher die Poesie des Surrealismus galt, hat Dada Berlin scharfe Gesellschaftskritik betrieben.

Gibt es Frauen, die aus heutiger Sicht vergleichbar wichtig sind in der Kunst des 20. Jahrhunderts?

Für Berlin ist sie einsame Spitze. Es gibt ja wenige Künstlerinnen der Avantgarde. Das hängt mit der Ausbildungssituation für Frauen zusammen. Erst 1919 wurden sie zum Studium an die Kunsthochschulen zugelassen.

Hannah Höch hat Berlin ihr Haus und ihren Garten, wo sie 40 Jahre lang lebte, vermacht. Die Stadt ist dabei, das Anwesen zu verkaufen. Wie finden Sie das?

Ein schwieriges Thema. Die bisherige Lösung war optimal. Ein Künstler lebt da, der nur bescheidene Komfortansprüche hat und den Garten, der ja eine Naturcollage ist, erhält. Das kann man nur mit viel Leidenschaft.

Das Anwesen wird ohne Not verkauft.

Berlin braucht Geld und da bindet man sich Scheuklappen um und verkauft blindlings, was zu verkaufen ist.

Was müsste Ihrer Meinung nach für Haus und Garten getan werden?

Das Haus und der Garten muss in liebevolle Hände gegeben werden. Wenn das mit dem Denkmalschutz ernst gemeint ist, kommt man doch wieder dazu, dass die derzeitige Situation mit dem Künstler, der bereitwillig den Garten erhält und öffentlich zugänglich macht, die beste Lösung ist.

INTERVIEW: WALTRAUD SCHWAB