berliner szenen Das Alphabet der Stadt

E wie Eichkamp

Ich faltete umständlich am Stadtplan herum, aber mein Informant blieb hart. Dass Eichkamp kein Stadtteil, eher eine „Siedlung“ sei, interessierte ihn nicht. Er zog seine Baseballkappe tief ins Gesicht, machte noch eine komische Geste und stieg aus.

Neben mir saß eine stark parfümierte Frau und aß eine Bockwurst. Zwei Geruchsquellen im Wettstreit, dazu die leichten Schweißausdünstungen der anderen Fahrgäste auf dem Weg zur Messe. Der Schaffner erklärte, dass die Station Eichkamp nun eben „Messe Süd in Klammern Eichkamp“ heiße, und lächelte vorwitzig. Ich lächelte nicht zurück. An der angegebenen Station stieg ich aus, ignorierte das Messegelände und kehrte der Zivilisation den Rücken.

Es war Frühling geworden. Eichkamp versprach viel, ein Dorf mitten in der Stadt. Gleich das Bahnhofsbistro hieß „Eichkater“, war aber leider geschlossen. Die Waldschulallee wie leer gefegt, Vögel und Autobahn stritten um den höheren Lautstärkepegel, ein Elektrofachgeschäft warb mit dem Motto „Fernseh Strahl – 1. Wahl“. Dann hohe Tannen, grüne Kleinrasenflächen im Sonnenschein. In einem Garten eine Tischtennisplatte. Eichkamp sehen und sterben, dachte ich und machte es mir auf einer zentral gelegenen Parkbank gemütlich.

Eine laue Stunde lang notierte ich: drei Radfahrer, ein lila BMW, ein Fußgänger mit auf die Jacke genähtem Stadtwappen. Dann ein weiterer Radfahrer, der sich über meine schwarze Bekleidung mokierte. Schließlich noch einmal der lila BMW. Dann drei Backfische, die sich „in die Stadt“ aufmachten. Nach einer weiteren Stunde begann mir das dauernde Vogelgezwitscher aufs Gemüt zu schlagen. Ich stellte mir die Ruhe meiner Hinterhofwohnung vor und schlurfte zurück zum Bahnhof. RENÉ HAMANN