100 Jahre Böse

Zum Jubiläum moderiert Michael Weisser einen Ego-Check des Hermann-Böse-Gymnasiums

Das Gymnasium an der Hermann Böse Straße feiert in diesem Herbst sein Hundertjähriges. Ohne getragene Feierstunde und Festreden wird das nicht abgeben – aber die Schule wollte mehr. Sie beauftragte den Bremer Multi-Künstler Michael Weisser vor einem Jahr, sich mit dem Thema zu befassen. Und der begann seine Annäherung an das alte Gemäuer in der von ihm seit der Ausstellung über das Gerichtsgebäude bekannten Art: Er fotografierte Details des 100 Jahre alten Gebäudes. „Fotografische Erfassung von Architekturdetails“ nennt er das.

Weisser wollte nicht schlicht einen Fotoband zur Feierstunde liefern, sondern intervenieren. „Der Spirit des Ortes Schule liegt in den Menschen, die die Schule prägen und für die die Institution Schule letztlich da ist: die Schüler... Schule ist Inhalt“, schreibt er im Vorwort zu einem Band, an dem er mit einer Redaktionsgruppe von Schülern nun schon seit Monaten arbeitet. Schüler befragten den früheren Kunstlehrer Rolf Gramatzki nach der Bedeutung der „Fassade als Programm“.

Da steht in die Fassade das „Non scholae sed vitae“ – der Schüler Jan Senge ging diesem Spruch nach, den Lehrer verwenden, um Schüler vom Schummeln abzuhalten. Bei Seneca hieß es anders, erzählt uns der Schüler, „Non vitae, sed scholae discimus“, sollte sagen: Nicht für das banale Leben, sondern für die hohe Philosophie lernen wir. Erst im 13. Jahrhundert wurde der Spruch pädagogisch umgedreht.

Schüler befassten sich mit dem Kolonial-Denkmal, das gegenüber von dem Gebäude steht. Zum 100-jährigen Geburtstag soll die Schule eine Partnerschaft zu einer Schule in Namibia aufnehmen, um die Umdeutung des Elefanten zu einem Denkmal des Antikolonialen Neuen Bewusstseins zu dokumentieren. Die Schüler befassten sich mit Arbeitsbedingungen, mit der „Frau im Business“, machten einen „Ego-Check – FragenAnMich.“

Und schließlich gingen sie dem Namengeber der Schule nach: Hermann Böse. Ein Bremer Pädagoge, ein Moralist, sozialistischer Radikaler, in der kurzen Räterepublik 1918 Mitglied im „Rat der Volksbeauftragten“, 1933 von den Nazis aus dem Schuldienst entfernt, 1942 von der Gestapo verhaftet. 1938 wurde die Schule nach dem Kolonialfeldherrn „Lettow-Vorbeck-Schule“ getauft. 1950 wurde Hermann Böse mit der Benennung der Straße an der Schule und der Schule geehrt. „Die Werte und Vorstellungen, die Hermann Böse vertrat, könnten in ein Profil der Schule einfließen...“ formuliert die Schülerin Anas Preuschkas.

Über 100 Seiten dick ist die in diesen Tagen erscheinende Broschüre, in der die Schule über sich selbst reflektiert – Monate vor dem Festakt. Der Festakt ist zum Prozess umfunktioniert.

Die Arbeit von Weisser an dem Jubiläum ist intervenierende, soziale Kunst. Sein Wunsch: Die Schule soll den Geist des Aufbruchs in ihr zweites Jahrhundert mitnehmen – der alten Fassade zum Trotz. kawe