Die Achse der Erinnerung

Wer erklärt uns die Nazis? Natürlich Guido Knopp. Und dann sind da noch vier weitere Herren, die unsere Medien als Geschichtswerkstätten nutzen. Jüngstes Beispiel: „Speer und Er“ (ARD, 20.15 Uhr)
VON STEFFEN GRIMBERG

Selten wurde eine TV-Produktion so hymnisch vorab gefeiert wie Heinrich Breloers und Horst Königsteins „Speer und Er“ (taz-Kritik siehe 6. 5.). Das Geschichtsfernsehen hat zum 60. Jahrestag der Befreiung Hochkonjunktur – und durch alle Medien ergeben sich erstaunliche Verbindungen und Allianzen.

Der Könner

Heinrich Breloer (63) ist der Solitär der Szene, mit dem sich alle Medien gern schmücken. Was ihn, zumindest was die großen Namen angeht, angenehm kalt lässt. Anders sieht es aus, wenn ihn seinesgleichen abblitzen lässt: Als „Die Manns – ein Jahrhundertroman“ beim Fernsehfilm-Festival Baden-Baden 2002 leer ausging, ging auch Breloer nach Hause. Seine „Offene Form“, der Mischung von Dokumentarischem mit Spielszenen, die er zusammen mit Horst Königstein seit gut 20 Jahren pflegt und weiterentwickelt, hat im deutschen Fernsehen Maßstäbe gesetzt. Nachahmer, auch sehr gute, gibt es zuhauf. Doch Breloer und Königstein („Das Beil von Wandsbek“, „Die Staatskanzlei“, „Todesspiel“) liegen meilenweit vorn. Das erkennt denn auch die mit Spiegel TV und dem Doku-Kanal XXP bewehrte Konkurrenz an: Während der Spiegel während der „Speer und Er“-Dreharbeiten noch leicht höhnisch von einem „Höhepunkt der öffentlich-rechtlichen Nazi-Beschwörung“ schrieb, gibt es für den fertigen Film artige Komplimente über „das Fernsehen als historisch-aufklärerische Anstalt“. Für ein Spiegel-Gespräch hat es bislang dennoch nicht gereicht.

Knopp-Faktor: 0,5

Der Aufsteiger

Aber dafür für eins in Spiegel TV beziehungsweise bei dessen Doku-Kanal XXP: Am morgigen Dienstag (23.05 Uhr) ist Breloer Gast von Michael Kloft (43). Kloft leitet bei Spiegel TV den Bereich Geschichte. Man kennt sich, schließlich war er mal Breloers Regieassistent, hat an „Speer und Er“ beratend mitgewirkt – und 1996 selbst die Doku „Schuld und Sühne des Albert Speer“ gedreht.

„Auf der Suche nach der farbigen Vergangenheit“, ist Klofts hausinternes Porträt bei Spiegel Online überschrieben – mit Guido Knopp vom ZDF hat er zeitgenössische Farbaufnahmen als Geschichtsdoku-Standard durchgesetzt und konkurriert nun mit Knopp um jeden Meter bislang ungesendeten Agfa-Color-Materials. Für die Welt ist er „der einzig wirklich wichtige deutsche TV-Historiker neben Knopp“. Doch Kloft kann auch ganz anders, wie er und Lutz Hachmeister) in „Das Goebbels-Experiment“ beweisen. Der derzeit im Kino laufende Film verbindet NS-Wochenschau- und

anderes zeitgenössisches Material entlarvend mit Goebbels’ Tagebucheintragungen.

Knopp-Faktor: 3,5

Der Chefredakteur

Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust (58), im Neben-, manche meinen sogar: im Hauptberuf eher Chef von Spiegel TV, hat spätestens mit Gründung des eigenen TV-Kanals XXP einen permanenten Zugriff auf die jüngere deutsche Vergangenheit.

Dass Hitler die Auflage steigen lässt, hat Aust schon unter Rudolf Augstein gelernt – und führt mit sechs Titelbildern (inklusive D-Day) seit 2004 die Tradition weiter. Doch auch im Verbund mit anderen Medien ist Aust aktiv: Mit FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher kämpft der Spiegel-Chef nicht nur gegen die Rechtschreibreform. Beide haben die 12-teilige FAZ-Spiegel-TV-Gemeinschaftsproduktion „Hundert Jahre Deutschland“ ausgeheckt – und führen gemeinsam die Zeitzeugen-Interviews für die DVD-Reihe (17,90 Euro plus Versand). Und für den Knopp-Sender ZDF hat Aust gerade „Der Fall Deutschland“ über Aufstieg und Niedergang des Wirtschaftswunderlandes gedreht. Knopp-Faktor: 2,5

Der Großdenker

FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher (44) macht mit Austs Spiegel auch bei zukunftszugewandten Themen gerne mal gemeinsame Sache, wie der Vorabdruck seines „Methusalem- Komplotts“ belegt – bleibt aber bei der schreibenden Zunft. Und ab dem 21. Mai gibt es natürlich auch ein Buch zu „Hundert Jahre Deutschland“. Einer der für die Reihe interviewten Zeitzeugen ist übrigens der Historiker, ehemalige FAZ-Herausgeber und Speer- wie Hitler-Biograf Joachim C. Fest.

„Wer Breloers meisterhafte Arbeiten kennt (…)“, schreibt Schirrmacher konsequenterweise über „Speer und Er“, wisse, „daß er kein Didaktiker ist. Er läßt durch Schnitte und Gegenschnitte, durch Rede und Gegenrede dem Zuschauer die Freiheit des eigenen Urteils. Er ist immer auch, wie es Joachim Fest einst bei Albert Speer war, eine Art ‚vernehmender‘ Redakteur. (…) In seinen demnächst erscheinenden Aufzeichnungen wird Joachim Fest offenbar der Suchbewegung Breloers folgen.“

Knopp-Faktor: 2,0