Nazis an der Misserfolgsfront

Nach dem Demo-Debakel in Berlin steht es schlechter denn je um die „Volksfront“ der Rechtsextremen: Viele Neonazis sind von der NPD enttäuscht. Und der nächste Tiefschlag für das Bündnis kommt gewiss – in knapp zwei Wochen bei der Wahl in NRW

AUS BERLIN ASTRID GEISLER

So groß war der Frust unter den Kameraden lange nicht: Nur Stunden nach dem ausgefallenen NPD-Aufmarsch in der Hauptstadt schrieben sich bereits Dutzende von Rechtextremen in einschlägigen Internetforen den Ärger von der Seele.

Ihre persönlichen Reiseberichte müssen in der Chefetage der NPD einen politischen Katastrophenalarm auslösen. Denn die Anklagen gelten einem einzigen Adressaten: der NPD – also just der Organisation, mit der die Neonazis eigentlich seit vergangenem Herbst einen gemeinsamen Kampf führen, Seit’ an Seit’ in der „Volksfront von rechts“.

„Mehr als grauenhaft“ sei die Gedenkveranstaltung in der Hauptstadt abgelaufen, klagen die Berlin-Heimkehrer, „Verrat der Parteileitung“ – „eine schlimme Schmach“ – „typisch NPD“. Die Partei habe „ganz klar gezeigt, dass sie im Kampf um die Straße nicht weiter benötigt wird“, schimpft einer aus dem Fußvolk. „Wir sind gespannt, wie sich die Basis in den kommenden Wochen verhalten wird.“ Zumindest diese Neugierde dürfte auch die NPD-Spitze teilen. Schließlich verheißt allein der Blick auf die Statistik für sie nichts Gutes: 5.000 Rechtsextreme waren im Februar zum Jahrestag der Bombenangriffe durch Dresden marschiert, in Berlin waren es vorgestern laut Polizei noch gut halb so viele. Die NPD wollte den 8. Mai als Tag der Niederlage begehen, das ist ihr – auf ungewollte Art – gelungen.

Zumindest das Tempo der jüngsten Selbstentzauberung am rechten Rand dürfte auch Experten überraschen. Denn selbst in den Führungsetagen des Verfassungsschutzes, traditionell nicht für vorschnelle Panikmache in Sachen Rechtsextremismus bekannt, wurden die Wahlerfolge von NPD und DVU in Ostdeutschland mit Sorge beobachtet: Sollte den Rechtsextremen tatsächlich der große Schulterschluss am rechten Rand gelingen? Würden sie im Westen weitere Wahlsiege feiern? Zu den Chancen der „Volksfront“ befragt, orakelten Verfassungsschützer damals vieldeutig: „Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg.“

Inzwischen scheint sich für das Bündnisprojekt von NPD, DVU und Neonazis die gegenteilige Prophezeiung zu bewahrheiten. Seit der Schlappe bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein ist die „Volksfront“ fast völlig aus den Schlagzeilen verschwunden. In den Umfragen für die bevorstehenden Wahlen in NRW taucht die NPD nicht mehr auf, sie teilt das Schicksal der anderen „Sonstigen“. Selbst auf Nachfrage rücken Umfrage-Institute wie infratest dimap keine Einzelauswertung für die Rechtsextremen heraus. Ihre Begründung: Die Werte seien für seriöse Prognosen zu gering. Der Düsseldorfer Extremismusforscher Wolfgang Dreßen prophezeit, die NPD müsse sich freuen, wenn sie auf ein Prozent der Stimmen komme.

Vor diesem Hintergrund dürften gerade die parteikritischen militanten Neonazis gespannt sein auf das Wahlkampfkonzept, mit dem NPD-Chef Udo Voigt der unlängst noch so großspurig von ihm angepriesenen „Volksfront“ bis 2006 einen Weg in den Bundestag bahnen will.