Hundekot mal nicht auf die Schippe genommen

Sondern in die Plastiktüte. Ein Projektbüro klärt HundehalterInnen in Mitte auf und installiert Beutelspender. Eine Scheißarbeit, die aber erfolgreich ist

Wichtig ist, was hinten rauskommt, das gilt für Politik wie für Hundekot

VON ULRICH SCHULTE

Man könnte sagen, dass Michael Krockauer einen Scheißjob macht. Gegen die Zuschreibung würde sich der Geologe wehren, zu Recht, denn sie wird dem Ernst der Sache nicht gerecht: Krockauer und seine Kollegen vom Projektbüro „Stadt & Hund“ verfolgen das lobenswerte Anliegen, Straßen und Parks von Hundehinterlassenschaften zu befreien – weshalb sie sich wissenschaftlich fundiert und mit Unterstützung des Bezirks Mitte mit Kotkartierung und Häufchendichte beschäftigen.

Wie alle wahren Revolutionen begann auch diese klein: Der Bezirk Mitte startete im Juni 2003 den Versuch, den Monbijoupark mit Hilfe der Profis sauberer zu machen. „Der Hund erfüllt in den Kiezen eine wichtige soziale Funktion. Leider können wir als Innenstadtbezirk keine großen Auslaufflächen bieten, deshalb haben wir uns nach Alternativen für ein friedvolles Miteinander von Hund und Mensch umgesehen“, sagt Regine Grafe, Leiterin des Umweltamtes Mitte.

Die „Stadt & Hund“-Gesellschafter gingen strategisch vor: Sie führten Interviews mit HundehalterInnen und kartierten Häufchen, wovon noch die Rede sein wird. Sie verteilten Flyer, die erklären, dass mit Entrichtung der Hundesteuer des Lieblings Toilette nicht abgegolten ist. Sie schulten ABM-Kräfte, die seitdem als Umweltstreifen patrouillieren. Und sie stellten fünf blaue Metallkästen auf, in denen Plastikbeutel der Kotbefüllung harren – gratis.

Der Bezirk übernahm die 6.000 Euro für Behälteraufstellung und Öffentlichkeitsarbeit, hinzu kommen 600 Euro pro Jahr für Beutel und Reparaturen. Das Projekt hat also nicht zuletzt durch die Selbstausbeutung der Mitarbeiter den Vorteil, dass es den Steuerzahler wenig kostet. Doch wichtig ist, was hinten rauskommt, das gilt für große Politik ebenso wie für Hundekot. Krockauer meldet inzwischen einen Beutelverbrauch von 15 pro Spender und Tag und Lernerfolge bei den HundehalterInnen: „Der Großteil benutzt die Beutel, auch weil die soziale Kontrolle auf einer Liegewiese stark ist.“ Auch Grafe bilanziert: „Die Akzeptanz wächst, der Park ist erheblich sauberer geworden.“ Selbst die „sonstige Vermüllung“ habe durch die Anwesenheit der Umweltstreifen abgenommen.

Ein Erfolgsmodell? Die Beutellobbyisten haben es jedenfalls schon exportiert. Auch in den Quartiersmanagement-Gebieten Moabit-West, Soldiner Straße und Sparrplatz hängen inzwischen die Spender mit dem eingängigen Logo, auf dem sich ein Hund aufs Geschäft vorbereitet. Im Schillerpark wird das Prjektbüro ab Juni mit Umweltamts-Geld und den bewährten drei Schritten aktiv: informieren (Flyer, persönliche Ansprache durch Umweltstreifen), anbieten (Gratisbeutel), notfalls sanktionieren (das übernehmen Kiezstreifen vom Ordnungsamt).

Der Geologe Krockauer wird im und um den Schillerpark wieder langsam die Wege abschreiten, den Blick gesenkt. Denn eine ordentliche Kartierung erfordert sorgfältiges Zählen. Die Zahl der Geschäfte geteilt durch zehn – für zehn Meter Straße – ergibt den Kotquotienten, der um den Sparrplatz beispielsweise zwischen 1,5 und 0,1 liegt. Wie sehr es wo stinkt, hängt teils von simplen Faktoren ab – etwa in der Triftstraße. An einer langgezogenen Brandmauer und auf Baumscheiben häufen sich die Haufen, vor Geschäften ist es sauber. „Auch wer seine Hunde wild koten lässt, hat ein Restgewissen und sucht sich Bereiche, wo es wenig stört“, interpretiert Krockauer.

Während der Bezirk Mitte in Sachen Hundekot auf Aufklärung und Bürgerengagement setzt, geht Friedrichshain-Kreuzberg rigider vor. Dort ist etwa der Traveplatz komplett, der Boxhagener Platz teilweise für Hunde tabu – was viele HalterInnen als diskriminierend empfinden. „Außerdem wird man doch so der Kacke nicht Herr“, sagt Katharina Vorbau, Vorsitzende des Vereins Hundefreunde Friedrichshain. „Abends, wenn’s keiner sieht, lassen die Leute ihre Hunde doch trotzdem auf den Platz.“ Die HundefreundInnen wurden selbst aktiv – und hängten sechs Beutelspender rund um den Boxhagener Platz auf.