Informationen bleiben erst mal unfrei

Krankenkassen schmeißen das Informationsfreiheitsgesetz von der Tagesordnung des Bundestags. Ihre Einwände in letzter Minute: Es könne damit auf Abrechnungsdaten zugegriffen werden. Grüne bemühen sich um Schadensbegrenzung

VON STEFFEN GRIMBERG

Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) wird nicht wie geplant am Freitag im Bundestag verabschiedet. Die Spitzenverbände der Krankenkassen erreichten gestern, dass das rot-grüne Prestigeobjekt in letzter Minute von der Tagesordnung genommen wird. Damit gewinnen die Gegner des IFG wieder an Handlungsspielraum.

Das Gesetz, seit 1998 erklärtes Ziel im Regierungsprogramm, soll auf Bundesebene den allgemeinen Auskunftsanspruch von BürgerInnen gegenüber Behörden und anderen amtlichen Stellen festschreiben. Entsprechende Landesgesetze gibt es bereits in Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.

Die Kassen befürchten nun, dass durch das IFG die „Pharmaindustrie auf Arzneimittel-Verordnungsdaten beziehungsweise Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenkassen zugreifen könnte“, heißt es in einem Schreiben der Spitzenverbände. Die gesetzlichen Krankenkassen fallen als Körperschaften öffentlichen Rechts unter das IFG. Außerdem werde der Wettbewerb zwischen den Kassen im Gesundheitsbereich allgemein gefährdet.

Die Gegner des IFG sitzen vor allem in der Industrie, Einwände kamen aber auch aus der Regierung selbst. So gelten Innenminister Otto Schily (SPD) und das Verteidigungsministerium als Bremser beim IFG. „Die Intervention der Krankenkassen kommt diesen Kreisen natürlich zupass“, sagt Manfred Redelfs von der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche. „Jetzt besteht die Gefahr, dass der Gesetzentwurf, der ohnehin schon einen Kompromiss darstellt, weiter verwässert wird.“ Sollten jetzt „alle möglichen Punkte wieder aufgeschnürt werden, wäre dies eine Katastrophe“.

Stutzig macht der Aktionismus der Kassenlobby in letzter Minute. Denn das Gesetzgebungsverfahren läuft schon seit Dezember 2004, im März gab es eine umfangreiche öffentliche Anhörung zum IFG. Bislang hatten sich die Kassen aber nicht zu Wort gemeldet.

Mit Datum vom 27. April schreibt die „Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen“ dem zuständigen Bundestags-Innenausschuss nun ganz naiv, man sei „selbstverständlich gerne bereit“, die strittigen Fragen „im Gespräch oder auch in einer Anhörung noch einmal näher zu erläutern“.

Die Koalitionsfraktionen waren gestern um Schadensbegrenzung bemüht: „Die Fragestellung der Kassen ist berechtigt“, sagte die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Grietje Bettin. Nach Einschätzung ihrer Fraktion seien die angeführten Problemfelder in Sachen Patienten und Arzneimittelverordnung aber durch den allgemeinen Datenschutz abgedeckt. Hier werde nun erneut juristisch geprüft, das Ergebnis soll noch in dieser Woche vorliegen.

Es sei aber unverständlich, warum die Intervention erst jetzt erfolgt. Schließlich werde um das IFG bereits seit einigen Jahren gestritten. „Die Kassen hätten schon im Anhörungsverfahren von sich hören lassen müssen“, sagte Bettin.