Erstickende Leichtigkeit

Manga, Trash und Rittermärchen: Am Mittwoch beginnt im Metropolis das Japanische Filmfest

von Tim Gallwitz

Unlängst war an dieser Stelle anlässlich der Hongkong-Filmreihe von den weichen Klängen des Kantonesischen die Rede. Heute soll es um eine andere Abteilung gehen, nämlich um die harten Laute des Japanischen, einer ungemein schroffen Sprache, insbesondere, wenn sie von Männern in Befehlspositionen gebellt wird. In Otakus in Love, der die Japan-Filmreihe in verschiedenen Hamburger Kinos eröffnet, erfährt Aoki, ein verlotterter Manga-Punk, eine solche „Ansprache“ von Seiten eines Bürobosses, die jedem hierzulande Tränen in die Augen triebe. Doch Aoki, der Mangas aus Steinen erschafft, die niemand haben will, bleibt lässig unbeeindruckt.

Otakus in Love ist ein wirr-bizarrer Ausflug in die Manga-Szene Japans, eines Universums, dem der westliche Betrachter ähnlich wie beim Karaoke meist rat- und hilflos gegenüberzustehen pflegt. Angelehnt an den Underground-Manga „Nowhere Man“ von Yoshiharu Tsuge aus den 60ern, erzählt der Film mit Mitteln der romantischen Komödie eine Lovestory zwischen zwei Manga-Afficionados. Ob Boy und Girl sich nun kriegen oder nicht, bleibt lange ungewiss und ist mal köstlich, etwa beim Synchronsprechwettbewerb zu Animes, mal aber auch überkandidelt albern.

In einer Hamburg-Premiere ist Nobody Knows zu sehen, ein ganz großes Stück Kino vom derzeit wohl herausragenden Regisseur Japans, Hirokazu Koreeda. Nobody Knows, der letztes Jahr im Wettbewerb in Cannes lief, geht auf eine wahre Begebenheit in Tokio aus dem Jahr 1988 zurück: Beim Umzug halten eine Mutter und ihr zwölfjähriger Sohn einen Smalltalk mit dem Vermieter. Als der weg ist, wird die zehnjährige Schwester aus einem Versteck geholt. Aus zwei riesigen Koffern entsteigen in der Zweizimmerwohnung noch ein siebenjähriges Mädchen und ein Fünfjähriger. Die Mutter erklärt die Regeln: keine Schule, kein Lärm. Außer dem Ältesten darf niemand raus. Der Zweitältesten ist immerhin der Balkon erlaubt, um dort die Waschmaschine zu bedienen. Die Mutter ist erst nur tagsüber fort, dann tagelang mit einem Liebhaber verreist, bis sie schließlich gar nicht mehr kommt.

Der Regisseur folgt den Kindern über die Jahreszeiten vom Herbst bis zum Sommer. Unerschütterlich erhalten sie den Alltag aufrecht, Akira geht einkaufen und kocht, es wird gespielt und geredet, bis das Geld ausgeht. Strom, Wasser, Gas werden abgestellt, nach und nach verwahrlosen das Apartment, die Kinder. Im dokumentarischen Realismus gedreht, mit improvisierten Dialogen der Laiendarsteller und konsequent die Perspektive der Kinder einnehmend, entfaltet sich rasch ein ungeheurer Sog. Die Traurigkeit der Umstände ist begleitet von einer oft heiteren Leichtigkeit, wie sie nur Kinder gegenüber einer Realität einnehmen können, die sie als nicht veränderbar erfahren. Das ergibt eine Dialektik, die der Tragik der Geschichte erst ihre wirkliche Tiefe verleiht. Und das Spiel vonYuya Yagira als Akira, in Cannes als Darsteller ausgezeichnet, ist ein beeindruckendes, nicht zu versäumendes Erlebnis.

Der nur mit halber Abendfülle, aber immerhin als Weltpremiere daherkommende Adalbert no uta (Das Adalbert-Lied) überzeugt mit konsequentem Bemühen um eine trashige Synthese aus Samuraifilm und Rittermärchen. Das Spiel der perfekt als Samurai kostümierten Mitteleuropäer, gruppiert in Tableaus zu Frauenraub, Ritterlichkeit, Drachentöterei und Schwertkampf, werden von einer getragenen Erzählerstimme aus dem Off untermalt, die von den Taten des Ritters Adalbert kündet. Planten un Blomen, Boberger Düne und St. Peter Ording heißen die Schauplätze, an denen Japan im deutschen Mittelalter stilsicher entstand. Da paart sich professioneller Ernst mit Lust am narrativen Crossover, das kann man nur gern haben.

Eröffnung: Mi, 18.5., 20 Uhr, Metropolis mit „Otakus in Love“. Komplettes Programm: www.nihonmedia.de