An Jude Laws Mutterbrust

Grandioser Quatsch: David O. Russell zielt mit seiner Filmkomödie „I Heart Huckabees“ auf die Bigotterie und Oberflächlichkeit der Suburbs

Seit einigen Jahren ist im amerikanischen Kino ein latentes Unbehagen zu verspüren: Motive wie Amnesie, Schizophrenie, Identitäts- und Realitätskrisen bilden längst ein eigenständiges Narrativ innerhalb der dominanten Mainstream-Erzählung; selbst grüblerische Kriegshelden sind keine Seltenheit mehr. Das Gefühl der Unsicherheit zieht sich durch alle Einkommens- und Budgetklassen und gewährt aufschlussreiche Einsichten in das nationale Befinden unterhalb der eingeschworenen Ideologieschwelle.

Die näheren Umstände dieser mentalen Verfassung bleiben in David O. Russell neuem Film „I Heart Huckabees“ im Dunkeln, nur einmal wird „die September-Geschichte“ diskret erwähnt. Frappierend hingegen ist der Spott, mit dem Russell die Gepflogenheiten und Kommoditäten seiner Landsleute vorführt: New-Age-Spinner, Umweltschützer, leitende Angestellte. Die Wege dieser maßvollen Verachtung führen Russell bis an die exemplarischen Orte einer gelebten Katastrophe: in die Suburbia, das Einkaufszentrum und die Konferenzräume des höheren Managements.

Da ist zunächst der passionierte Öko-Aktivist Albert (Jason Schwartzmann), der sich zum Schutze eines bedrohten Marschlandes mit dem Teufel, einem Discounter-Konzern namens Huckabees, eingelassen hat. Der geschniegelte Huckabees-Repräsentant Brad (Jude Law) hat die Öko-Truppe mit einem Lächeln, das alle Verheißungen des Marktes verkörpert, schnell auf Konzernlinie gebracht. Derweil beschäftigt den vereinsamten Albert (sein letzter Verbündeter im Kampf gegen die böse Korporation ist ein Felsbrocken, dem er auch sofort ein Poem widmet: „Rock, you rock“) eine unerklärliche Verkettung von Zufällen. Darüber ist sein Weltbild vollends aus den Fugen geraten. Zur Therapie bringt ein bizarres Existenzdetektiv- Pärchen (Lily Tomlin und Dustin Hoffman) ihn mit seinem „sprituellen Anderen“ (Mark Wahlberg) zusammen. Wahlberg, hier mit beeindruckender Holzfrisur, spielt einen paranoiden Feuerwehrmann mit einer passiv-aggressiven Depression. Seine Antworten findet er bei einer professionellen Nihilistin (Isabelle Huppert), deren Philosophie „Grausamkeit, Manipulation, Sinnlosigkeit“ die einzige Maxime ist, die in „I Heart Huckabees“ noch Sinn zu haben scheint.

Das alles ist natürlich grandioser Quatsch – womit das Grundproblem des Films schon umrissen ist. Aber die verquaste Logik dieses heillosen Irrsinns ist unwiderstehlich. Russell hat einleuchtende Bilder für fundamentale Ängste gefunden, eine Art psychoanalytische Babysprache. Seine Protagonisten müssen dazu in einen Leichensack steigen. In der Dunkelheit, zurückgeworfen auf das „Große Alles“, wird mit einem Staubsauger einfach weggesaugt, was die innere Balance stört. Die Gesichter der Unterdrücker landen in Schnipseln auf dem Grund des Unterbewussten, zerteilt von Machetenhieben. Doch auch bei Russell ist die Urangst wieder nur sexuell konnotiert. Irgendwann hängt Schwartzman an der wohlgeformten Mutterbrust Jude Laws.

Bigotterie und Oberflächlichkeit sind die bevorzugten Angriffspunkte von Russells Rundumschlag. Zwei zugegebenermaßen leichte Ziele, aber manchmal zieht schon ein einziger Satz den Boden unter den so sorgfältig zusammengezimmerten Lebenskonzeptionen mit voller Wucht weg. „Sie sind hier der Hitler“, schreit eine SUV-Fahrerin Wahlberg einmal hysterisch an, als er ihr was von der „unendlichen Natur des Lebens“ erzählen will. „Wir haben einen sudanesischen Flüchtling aufgenommen.“– „Wir befinden uns hier nicht in der Unendlichkeit, sondern in den Suburbs“, ruft ihr Mann noch.

Problematisch an „I Heart Huckabees“ ist nur, dass Russell sich für nichts wirklich zu interessieren scheint. Sein hypertrophes Spiel mit Meta-Ebenen, absurden visuellen Spielereien und blankem philosophischem Unsinn schreibt lediglich das dumpfe Gefühl von Ratlosigkeit fort, das seine Figuren umtreibt. Am Ende ist alles in „I Heart Huckabees“ – die existenziellen Ängste wie die politischen Verhältnisse– nicht mehr als ein großer Witz. „Everything is the same“, sagt Dustin Hoffman, „even if it's different.“

ANDREAS BUSCHE

„I Heart Huckabees“, Regie: David O. Russell. Mit Dustin Hoffman, Isabelle Huppert, USA 2004, 106 Min.