Hungern bis zur Revolte

Seit über vier Wochen sind mindestens neun Häftlinge im Abschiebeknast Grünau im Hungerstreik. Sie protestieren damit vor allem gegen lange Haftzeiten. Insassen berichten von Polizeischikanen

VON FELIX LEE

Der seit vier Wochen andauernde Hungerstreik im Abschiebegefängnis Grünau wird weiter fortgesetzt. Zwar haben die Flüchtlingsinitiativen den Überblick verloren, wie viele der Häftlinge die Nahrungsaufnahme verweigern. Der Gefängnispfarrer Dieter Ziebarth geht aber davon aus, dass die Zahl immer noch bei mindestens neun liegt. Genaue Angaben konnte er nicht machen, weil nach den Verwüstungen der dritten Etage am Samstag durch die Insassen alle Hungerstreikenden voneinander getrennt und über das gesamte Gefängnis verteilt wurden. Die Streikenden hätten jetzt untereinander keinen Kontakt mehr.

Am 7. Mai war es in Grünau zu der größten Gefängnisrevolte seit Jahren gekommen. Während einer Demonstration von rund 140 Unterstützern draußen vor dem Gebäude brachen 15 Bewohner eine Eisentür auf und versuchten zwei Fensterscheiben einzuschlagen, um in Kontakt mit den Demonstranten zu treten. Nach Polizeiangaben griffen sie auch das Personal an.

Der Hungerstreik hatte am 18. April begonnen, nachdem zwei Tage zuvor ein palästinensischer Insasse von einem Polizeibeamten misshandelt worden sei. Nach Angaben der Initiative gegen Abschiebehaft wollte die Anstaltsleitung an diesem Tag die Insassen einer ganzen Etage verlegen. Als sich der Palästinenser weigerte, habe ihn ein Beamter in den Polizeigriff genommen und mehrmals mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen. Die ärztliche Untersuchung des Verletzten ergab einen gebrochenen Finger, ein kaputtes Handgelenk und eine Platzwunde am Kopf. Aus Protest traten nach diesem Vorfall 18 Insassen in den Hungerstreik.

Für die Initiative gegen Abschiebehaft und die „Antirassistische Initiative (ARI) war es zunächst schwierig, herauszufinden, weswegen die Insassen überhaupt so lange streiken. Der misshandelte Palästinenser ist per Gerichtsbeschluss inzwischen aus der Haft entlassen, zwei der sieben Zeugen sind abgeschoben – eine wohl gängige Praxis in Grünau, um zu erreichen, dass Ermittlungen nach Übergriffen ergebnislos bleiben. Inzwischen war aber klar, dass der Protest der 18 Flüchtlinge sich auch gegen die allgemein langen Haftzeiten richtet. Einige von ihnen sitzen bereits mehr als 6 Monate in Grünau, darunter vor allem Palästinenser, bei denen eine Rückführung nach Palästina oder in den Libanon derzeit gar nicht möglich ist.

Die Hungerstreikenden berichten von Polizeischikanen und dass Einzelne von ihnen in Isolationshaft genommen wurden, um den Streik abzubrechen. Die Polizei dementiert dies.

Pfarrer Ziebarth berichtet, dass die Meinungen der Häftlinge zu der Revolte am Samstag auseinander gingen. Einige hätten Angst gehabt, selbst verletzt zu werden, andere sagten, dass es irgendwann so kommen musste. Die Stimmung sei in letzter Zeit einfach zu angespannt gewesen.