Im Buddha-Land duften die Juwelenbäume

Vor dem Eingang in das große Nichts des Nirwana liegt das prächtige „Westliche Paradies“. Im Glücksland gilt: noch einmal mit Gefühl!

Der historische Buddha (560–480 v. Chr.) hat keine Vorstellung eines paradiesischen Jenseits hinterlassen, denn für ihn führte der innerweltliche Kreislauf der Wiedergeburten hin zum Nirwana: dem Ort des endgültigen Erlöschens aller Leidenschaften, jeglichen Leidens. Im Nirwana endet die Leiblichkeit, das Leben, der Tod und die Wiedergeburt. Hingegen entwickelte der in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten aus der Lehre Buddhas entstandene Mahayana-Buddhismus, heimisch in Tibet, Zentralasien, China und Japan, auch die Vorstellung, dass vor dem Eingang ins Nirwana das so genannte Westliche Paradies „Sukhavati“ (Glücksland) liege. Ananda, der im Text immer wieder Angeredete, war der Lieblingsjünger des historischen Buddha. Amitabha ist der Buddha des unendlichen Lichtglanzes und der mitfühlenden Spiritualität. Tathagata ist die Selbstbezeichnung eines Buddha, eines Erleuchteten.

Die Welt Sukhavati, o Ananda, die die Welt des erhabenen Amitabha ist, ist reich und blühend, behaglich, fruchtbar, entzückend und angefüllt mit vielen Göttern und Menschen. Und in dieser Welt, Ananda, gibt es keine Höllen, keine Tiergeburten, keine Gespenster, keine Dämonen und überhaupt keine unheilvollen Wiedergeburten. In unserer Welt erscheinen nicht solche Edelsteine, wie sie in der Welt Sukhavati existieren.

Und jene Welt Sukhavati, Ananda, lässt viele köstliche Düfte ausströmen, sie ist reich an einer großen Vielzahl von Blumen und Früchten, geschmückt mit Juwelenbäumen, die aufgesucht werden von Scharen verschiedenster Vögel mit süßen Stimmen, die die Wunderkraft des Tathagata hervorgezaubert hat. Und diese Juwelenbäume, Ananda, haben verschiedene Farben, viele Farben, viele hunderttausend Farben. Sie sind verschieden zusammengesetzt aus den sieben Pretiosen: aus Gold, Silber, Beryll, Kristall, Korallen, Perlmutt und Smaragd. Solche Juwelenbäume und Massen von Bananenbäumen und Reihen von Palmen wachsen überall in diesem Buddha-Land. An allen Seiten ist es von goldenen Netzen umgeben und bedeckt mit Lotosblumen aus allen diesen Pretiosen. Einige der Lotosblumen haben einen Umfang von einer halben Meile, andere bis zu zehn Meilen. Von jedem Edelsteinlotos gehen sechsunddreißighunderttausend Millionen von Strahlen aus. Und am Ende eines jeden Strahls gehen sechsunddreißighunderttausend Millionen von Buddhas hervor, mit goldfarbenen Körpern, die die zweiunddreißig Merkmale des Übermenschen tragen und die nach allen zehn Richtungen in zahllose Welten gehen, um dort die Lehre zu verkünden.

Und weiterhin, o Ananda, gibt es in diesem Buddha-Land keinerlei Gebirge, – keine schwarzen Berge, Edelsteinberge, Sumerus [Weltenberg, d. Red.], Rundgebirge. Sondern dieses Buddha-Land ist überall eben, entzückend wie die Fläche einer Hand, und überall besteht der Boden aus einer großen Vielzahl von Edelsteinen und Pretiosen.

Und viele verschiedenartigen Flüsse fließen in dieser Welt Sukhavati. Dort gibt es große Flüsse, eine Meile breit und bis zu fünfzig Meilen breit und zwölf Meilen tief. Und diese Flüsse fließen ruhig dahin, duftend in den verschiedensten angenehmen Wohlgerüchen, in ihnen sind Blumensträuße mit verschiedenen Edelsteinen, und sie tönen in verschiedenen süßen Lauten. Und der Klang, der von diesen großen Flüssen ausgeht, ist so lieblich wie derjenige eines Musikinstruments, das aus hunderttausend Millionen von Stimmen besteht und das, kunstvoll gespielt, eine himmlische Musik von sich gibt. Sie ist tief, eindrucksvoll, deutlich, klar, angenehm für das Ohr, das Herz rührend, entzückend, süß, angenehm, und niemand wird müde sie zu hören, und jeder hört, was er zu hören wünscht, so die Worte „beständig, friedvoll, ruhig und Nicht-Ich“. Solcherart ist der Klang, der die Ohren jener Wesen erreicht.

Und, Ananda, die Ufer dieser großen Flüsse sind von verschiedenartig duftenden Juwelenbäumen eingefasst, und von ihnen hängen Bündel von Blumen, Blättern und Zweigen aller Art herab. Und wenn jene Wesen sich an jenen Flussufern himmlischen Vergnügungen hingeben möchten, dann, nachdem sie in das Wasser getreten sind, steigt das Wasser in jedem Fall so hoch, wie sie es wünschen – bis zu den Knöcheln oder den Knien oder den Hüften oder beiden Körperseiten oder ihren Ohren. Und himmlische Wonnen entstehen.

Außerdem, wenn Wesen das Wasser kalt wünschen, dann wird es für sie kalt; wenn sie es heiß wünschen, dann wird es für sie heiß; wenn sie es heiß und kalt wünschen, dann wird es für sie heiß und kalt, ganz nach ihrem Belieben. Und jene Flüsse fließen dahin, voll von Wasser, duftend nach den feinsten Wohlgerüchen und bedeckt mit wunderschönen Blumen, widerhallend von den Lauten vieler Vögel, leicht zu durchschreiten, frei von Schmutz und mit goldenem Sand im Flussbett. Und alle Wünsche, an die jene Wesen denken mögen, sie werden erfüllt, wenn sie rechtmäßig sind.

Und was den lieblichen Klang betrifft, der aus dem Wasser kommt, so erreicht er alle Teile des Buddha-Landes. Und jedermann hört, was er als lieblichen Klang zu hören wünscht; so hört er von Buddha, von der Lehre, vom Orden.

Und wenn er dies hört, erlangt er edle Lust und Freude, die verbunden ist mit Losgelöstsein, Leidenschaftslosigkeit, Ruhe, Stillstand, mit der Buddha-Lehre, die jenen Geisteszustand schafft, der zur vollkommenen Erleuchtung führt. Und nirgendwo in dieser Welt Sukhavati hört man etwas Schändliches, nichts von Hindernissen, nichts von Bestrafungen, von Elend und schlechtem Geschick, nichts von Leiden. Selbst von Gefühlen der Leidlosigkeit und Freudlosigkeit hört man nichts. Und deshalb, o Ananda, wird diese Welt „das Glücksland“ (Sukhavati) genannt. Doch all dies beschreibt es nur in Kürze, nicht im Einzelnen. Ein Weltzeitalter möchte wohl zu Ende gehen, während die Gründe zum Glück in der Welt Sukhavati verkündet werden, und doch würde man nicht alle Gründe für das Glück nennen können.

Sukhavati-vyuha 15–18 Aus: Steinwede/Först