Europa beerdigt die Kerosinsteuer

Um mehr Geld für Entwicklungshilfe aufbringen zu können, einigten sich die EU-Finanzminister auf eine Abgabe für jedes Flugticket. Höhe und Verbindlichkeit sind allerdings noch umstritten. Umweltschützer kritisieren: „Ablass für gutes Gewissen“

VON HANNA GERSMANN

Ein Flug nach Mallorca? Ein Einkaufstrip nach New York? Wer sich davor scheut, weil er ein schlechtes Gewissen hat, könnte schon bald entlastet werden. Die EU-Finanzminister haben sich am Samstag auf einem informellen Treffen in Luxemburg geeinigt, einen „Ticket-Euro“ einzuführen. Diese Abgabe fürs Fliegen soll in die Entwicklungshilfe fließen. EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker: „Alle Mitgliedsstaaten sind bereit.“

Hört sich gut an, ist im Detail aber problematisch. Offen ist nämlich erstens, ob Reisende verpflichtet werden, die Gebühr zu zahlen. Womöglich werden sie nur auf freiwilliger Basis dazu gebeten. Nach dem aktuellen Verhandlungsstand soll das jeder EU-Staat für sich entscheiden. Zwar will Deutschland dem entgegenwirken. „Wir sollten nicht zu viel Freiwilligkeit hineinbringen“, so Finanzstaatssekretär Caio Koch-Weser. Doch Spanien und andere Tourismus-abhängige Mittelmeerländer lehnen den Aufschlag strikt ab.

Skepsis ist zweitens angebracht, weil die Höhe unklar ist. Der französische Finanzminister Thierry Breton versicherte, es werde sich um einen bescheidenen Betrag handeln, um die Luftfahrtbranche nicht zu belasten. Im Gespräch sind derzeit ein bis zwei Euro pro Ticket.

Problematisch ist der Ticket-Euro-Vorstoß aber vor allem, weil die EU-Finanzminister damit die Kerosinsteuer begraben. Für diese hatte sich Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) in den letzten Wochen stark gemacht. Schließlich zahlen Lufthansa, KLM oder Ryan Air auf Kerosin bislang keinen Cent Mineralölsteuer – obwohl die Jetdüse viel mehr klimaschädliches Kohlendioxid ausbläst als der Autoauspuff. Doch Eichel überzeugte seine Kollegen nicht.

Stattdessen gibt es nun eine Minimallösung, offenbar die einzige, um überhaupt noch eine neue Geldquelle für die Entwicklungspolitik zu finden. Schließlich landete auch die Tobin-Steuer – gedacht für internationale Finanztransaktionen – unlängst in den Akten. Die UNO hat aber vorgegeben, dass die Industriestaaten bis 2015 insgesamt 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe ausgeben. Die EU verpflichtete sich zudem, schon im Jahr 2010 auf 0,51 Prozent zu kommen. Deutschland ist davon weit entfernt: bei einem Drittel Prozent

Das reicht nicht, um die Millenniums-Ziele der Vereinten Nationen zu erreichen. Unter anderem soll die weltweite Armut halbiert und die Säuglingssterblichkeit um zwei Drittel reduziert werden. Nun sollen Experten der EU noch einmal ausrechnen, wie hoch eine Abgabe auf Flugtickets sein muss, um zumindest sechs Milliarden Euro für ein Kinder-Impfprogramm einzunehmen, das bereits geplant ist. Die EU-Kommission, hat bereits rund zehn Euro pro Ticket veranschlagt. Am 7. Juni wollen die Finanzminister wieder beraten.

So manchen geht das nicht weit genug. „Das darf ruhig teurer sein“, sagt Daniel Kluge vom Verkehrsclub Deutschland. Die bisher geplante Pauschale halte nicht vom Fliegen ab. „Die Klimasünden werden nicht repariert“, sagt auch Dietrich Brockhagen von Germanwatch. Dabei sorge die Erderwärmung erst dafür, dass sich gefährliche Krankheiten wie das Dengue-Fieber in armen Ländern stark ausbreiteten. Das Fazit von BUND-Sprecher Rüdiger Rosenthal: „Die Ticket-Abgabe ist nur ein Ablass fürs gute Gewissen.“