Raucher diskriminieren? Ja, gerne
: Kommentar von ULRIKE WINKELMANN

Weniges ist so sinnlos, wie Rauchern zu sagen, dass Rauchen ungesund ist. Raucher wissen das schon. Außerdem steht es ja auf den Packungen. Und noch können selbst die meisten Teenager lesen. Was die Aufnahmefähigkeit für derlei rationale Argumente außerdem derzeit immens behindert, ist, dass Raucher sich diskriminiert fühlen.

 Der Anteil junger Eltern, die im Café oder an der Bushaltestelle zickig um Schonung ihres Nachwuchses bitten, steigt. Am Arbeitsplatz bekommen die Rauchfeinde Oberwasser und schicken die Qualmer ins Treppenhaus. Will der Raucher auf der Party gerade zur Schachtel greifen, sagt plötzlich jemand: „Mensch, das ist ja toll: Hier raucht niemand mehr!“ Das schüchtert schon ein.

 Zur Abwehr der Tabakskepsis haben sich die Raucher mittlerweile einen Mantel aus schönen und klugen Argumenten umgelegt: Rauchen sei eine befriedende Kulturtechnik. Rauchen sei noch in allen Diktaturen verfolgt worden. Rauchen vermittle eine herrschaftsfreie und kommunikative Lebenshaltung. Rauchen sei wichtiger Ausdruck der individuellen Selbstbestimmung. Kurz: Rauchen sei gelebte Demokratie. Rauchgegnerschaft fällt dagegen mindestens unter Hysterie, eventuell aber auch unter Faschismus.

 Es ist für Freundinnen und Freunde einer gelebten, aber lieber rauchfreien Demokratie schier unmöglich, Rauchern gegenüber eine richtige Haltung zu finden. Wenn auch Rauchen nicht mehr ganz so cool ist, so ist das Rauchenverbieten auf jeden Fall immer noch uncool. Die Hinweise auf eigene oder fremde Gesundheit werden ungnädig überhört, und für alles andere erntet man den Vorwurf der Intoleranz.

 Deshalb ist es so schön, dass es Ulla Schmidt und Renate Künast gibt. Sie nehmen den Nicht- und Wenigrauchern diese demütigende Erfahrung ab und laden die ganze Last der Intoleranzvorwürfe auf sich. Die Ministerinnen vertreten eine Tabaksteuererhöhung, ein Tabakwerbeverbot und seit gestern auch die Bekanntgabe aller Nichttabakstoffe in den Zigaretten. Das alles ist einschränkend, belehrend, also enervierend, geht außerdem natürlich nie weit genug – ist aber nützlich. Ausnahmsweise darf man dankbar sein, dass die Politik den Bürgerinnen und Bürgern die Arbeit der Aufklärung abnimmt. Im sozialen Nahbereich funktioniert sie einfach nicht.