„Das ist Ihr Problem, nicht meins“

Ein Stichwortgeber im Herzen der Theorie-Community: Giorgio Agamben beschwört die Metaphysik und vermeidet den Diskurs in Berlin

Zu Beginn erzählt Ulla Berkéwicz, Chefin bei Suhrkamp, eine aufschlussreiche Geschichte. Wie sie Giorgio Agamben während der Buchmesse zu ihrem berühmten Kritikerempfang eingeladen habe. Wie sie erst gehofft habe, Agamben würde etwas über Guantánamo, Stammzellenforschung oder das nackte Leben sagen. Wie sie dann „enttäuscht, begeistert, erschrocken“ war, als der Philosoph tatsächlich etwas las, was auch als Esoterik hätte missverstanden werden können. Wie sie letztlich aber mit „200 still begeisterten Kritikern“ zugehört habe.

Nun, das mit der stillen Begeisterung haben wir auch schon anders erzählt bekommen (von peinlichem Schweigen war die Rede), aber mit ihrer Heilserwartung gab diese Einführung sehr schön den einen Pol dieser Veranstaltung vor. Giorgio Agamben, Autor des „Homo sacer“, derzeit führender Stichwortgeber der Theorie-Community, trat am Pfingstmontag zu Lesung und Gespräch in der Berliner Volksbühne auf. Gelesen wurde vor vollem Parkett aus dem neuen Buch „Profanierungen“.

Den anderen Pol bildete Giorgio Agamben selbst; er hat von seinem Habitus her so gar nichts von dem Meisterdenker, den offenbar viele Menschen – einschlägiger Warnungen gegen diese Diskursinstanz zum Trotz – in ihm sehen wollen. Dass ein Gespräch mit ihm nicht recht zustande kommt, liegt weder an den Übersetzerpausen noch an der Gesprächsleitung von Susan Neiman. Es liegt an Agamben. Die Direktorin des Potsdamer Einstein Forums gibt alles, um ihn zu konkreten Aussagen zu bewegen, aber er weicht aus und erklärt noch einmal, dass Politik und Metaphysik heute leider auseinander gefallen seien. Immer wieder formuliert er das, was in seinen Texten steht, mit anderen Worten. Einmal sagt er direkt auf eine Frage: „Das ist Ihr Problem, nicht meins“ und kehrt sofort zu sich zurück.

So bleibt es bei der Beschwörung eines seinsgeschichtlichen Verhängnisses, das Politik und Metaphysik, Gesetz und Moral, aber auch die Menschen und die Dinge voneinander trennt. Und es bleibt bei der Beschwörung der Hoffnung, dass sich das alles einmal wieder zum Guten wenden wird. So hat man an dem Abend vorgeführt bekommen, dass Giorgio Agamben zwar die Metaphysik wieder in ihr Recht setzen will, nicht aber Diskurs und Streit. DIRK KNIPPHALS