Marke, Nachricht, Versprechen

Mit der „Rache der Sith“ beschäftigt sich George Lucas nun länger mit der Entstehung des Bösen als mit dessen Niederwerfung. Darin liegt der Ausnahmestatus seines „Star Wars“-Epos, seine eigene Größe jenseits von Kassenrekorden und Merchandising

VON JAN DISTELMEYER

Es gibt kein Entkommen. Mit der „Rache der Sith“ ist das letzte Kinokapitel geschrieben, der Krieg der Sterne endet unweigerlich mit der Geburtsstunde des wohl berühmtesten Bösewichts der Filmgeschichte. Angeschnallt wie Frankensteins Monster wird Darth Vader am Ende der schwarze Stahlhelm aufgesetzt, das metallen schwere Keuchen ertönt zum ersten Mal. Dass auch sein Jahrzehnte späteres Ende, der dann doch heldenhafte Tod des schwarzen Lords in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“, längst uneinholbare Geschichte ist, gehört zum Prinzip der Geschlossenheit, das dieses Epos auf mehr als einer Ebene auszeichnet.

George Lucas’ „Star Wars“ ist als Marke, als Legende, als Nachricht und als Versprechen so allgegenwärtig, dass jede Überlegung zu diesem Phänomen und auch die privateste Erinnerung an die Filme der jetzt sechsteiligen Reihe alles Persönliche zu verlieren drohen. Innerhalb der Geschlossenheit des Medienereignisses „Star Wars“ bleibt kaum Raum, in dem die eigene Erfahrung mit diesen Filmen Platz hätte. So machtvoll hat die Mehrwert- und Bedeutungsmaschine der „erfolgreichsten Filmsaga aller Zeiten“ die Öffentlichkeit besetzt, dass man sogar vergessen könnte, wie ungewöhnlich und randständig das nun beendete Vorspiel der ersten drei „Star Wars“-Filme ist.

Immerhin beschließt „Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith“ das fast siebenstündige Biopic eines Erzschurken und Massenmörders. Die Idee, sich bei den drei Prequels zur Urtrilogie auf die Entwicklungsgeschichte des röchelnden Antagonisten in Schwarz zu konzentrieren, mag George Lucas von Anfang gehabt haben. Das ändert jedoch nichts am Ausnahmestatus, sich mit der Entstehung des Bösen in den Episoden I bis III länger zu beschäftigen als mit dessen Niederwerfung in den Episoden IV bis VI. Wer hätte gedacht, dass es im Krieg der Sterne um Darth Vader geht, dass Lord Helmchen der eigentliche Star ist? Bei aller Kritik, die zu Recht und gerade von Fans an den neuen Episoden I und II geübt worden ist: Das Science-Fiction-Gesamtwerk mit einem dreiteiligen Bildungsroman abzurunden, der die vorgegebene Setzung von Gut und Böse nachhaltig in Frage stellt, gibt „Star Wars“ eine eigene Größe jenseits von Kassenrekorden und Merchandise.

Weil es also keine Frage ist, dass der Jedi-Ritter Anakin Skywalker (Hayden Christensen) sich nun in den dunklen Sith Lord Vader verwandeln muss, ruhen umso größere Erwartungen auf dem Wie und Warum. „Die Rache der Sith“ ist allenthalben als düsterster und bester Film der neuen Episoden angekündigt und erwartet worden: Nun wird sich der Kreis mit dem Weg in die „dunkle Seite der Macht“ schließen. Es muss zum entscheidenden Kampf zwischen Anakin und seinem Lehrmeister Obi-Wan (Ewan McGregor) kommen. Anakins große Liebe Padmé (Natalie Portman) wird sterben müssen, und nur ein wenig Hoffnung durch die Geburt ihrer gemeinsamen Kinder Luke und Leia bleiben, die später die Galaxis retten.

Düster ist Episode III in der Tat, mit alten Zöpfen macht sie kurzen Prozess. Jar Jar Binks, die voll animierte, mit Schlappohren und rassistischen Stereotypen beladene Kinderzimmer-Konzession aus Episode I und II, kommt auf gerade mal zwei minimale Auftritte. Und Christopher Lee als maliziöser Sith Count Dooku wird gleich zu Beginn einen Kopf kürzer gemacht, was uns vor weiteren Laserschwertkämpfen des bald 83-jährigen Lee bewahrt, die in jedem ehemaligen Zivildienstleistenden das Menetekel Oberschenkelhalsbruch wachrufen.

„Die Rache der Sith“ setzt mitten im Krieg zwischen den von den Jedi geführten Kräften der Republik und den von den Sith kontrollierten Separatisten ein und ist ganz auf den kommenden Konflikt des Anakin Skywalker konzentriert. Zwei Fragen und zwei Antworten motivieren mit entwaffnend ostentativem Willen zu Pathos und Drama alle weiteren Kämpfe und Begegnungen: Wie konnte sich dieser vielversprechendste Jünger des selbstlosen Ordens der Jedi-Ritter von der guten Seite der Macht abwenden? Seiner Liebe wegen! Wie fällt er die Entscheidung, dem verschlagenen Kanzler und zukünftigen Imperator Palpatine (Ian McDiamid) zu dienen? Indem er als Jedi den Tyrannenmord ablehnt!

Wie die dritte Episode zu diesen Antworten kommt, wird für viele die Hoffnung auf den besten Film der neuen Trilogie erfüllen. Vor allem aber gewinnt dieser Teil damit eine Entschlossenheit, die zentrale Unterschiede der neuen Episoden zur ersten Trilogie auf den Punkt bringt. Schon immer haben sich die „Star Wars“-Epen mit größter Sorglosigkeit aus allen Ecken der internationalen Film- und Mythengeschichte bedient – von J. R. R. Tolkien und King Arthur über Akira Kurosawa und John Ford bis zu Buck Rogers und Leni Riefenstahl. Die neuen Charaktere, wie etwa der permanent hustende Sith-Roboter General Grievous mit seinen vier Laserschwertern, bezeugen den Fortbestand dieser Integrationspolitik, die jedoch gegenüber den Filmen von 1977–83 einen blinden Fleck hinterlässt: Han Solo, das von jeglicher Jedi-Esoterik freie Desperadogegenstück zu Luke Skywalker, ist nicht nur wegen des Zeitsprungs in die Vorgeschichte absent. Auch seine Funktion in der ersten Trilogie, das ironisierende Gegengift zu pathetischer Mystik, bleibt in der zweiten komplett unbesetzt.

Was hingegen triumphiert und im Finale zugespitzt wird, ist vor allem zweierlei: Zum einen versuchen die neuen Filme das Ringen um die Frage von Gut und Böse auf das Thema Demokratie auszuweiten. Auch in „Die Rache der Sith“ ist ständig von der bedrohten Republik die Rede, die unter der Herrschaft des machtgierigen Palpatine „die Demokratie, die wir so lieben“ längst verspielt hat. Und indem reichlich Worte darauf verwendet werden, die Politiker des immer schon ohnmächtigen Senats als potenziell korrupt und verführbar auszuweisen, leidet „Star Wars“ nun an der gleichen Schwäche, die in Episode I–III mit einem bedenklichen Bild von Parlamentarismus dem Senat unterstellt wird: Es wird viel geredet und wenig gehandelt. Das hätte dem Tatmenschen Han Solo nicht gefallen.

Der zweite mit Episode III manifestierte Schwerpunkt ist die Konzentration auf das Individuum. War es vom „Krieg der Sterne“ bis zur „Rückkehr der Jedi-Ritter“ ein heterogenes Team, das sich aus freier Entscheidung gegen Darth Vader, den Imperator und den Todesstern stellte, richtet die neue Trilogie den Fokus immer deutlicher auf „den Einen“. Anakin Skywalker ist „der Auserwählte“, ein Objekt der Bestimmung, und alle Figuren neben ihm begleiten in „Die Rache der Sith“ sein Schicksal. Während das für Obi-Wan und Yoda glücklicherweise bedeutet, mehr Kämpfe als in allen anderen Teilen bestreiten zu dürfen, heißt dies für die schwangere Padmé, in froher Erwartung zur Untätigkeit verdammt zu sein. Statt mit Action wird mit Lipgloss geglänzt. Das Drama des Anakin Skywalker/Darth Vader fordert klare Rollenzuweisungen.

Gerade durch die Überbetonung des Auserwählten gerät die neue „Star Wars“- Trilogie zudem in eine ganz unnötige Ähnlichkeitsbeziehung zu den anderen beiden großen Trilogien des Millenniumwechsels. Auch „Der Herr der Ringe“ und „Matrix“ erzählen von einem Auserkorenen, der als Frodo oder Neo sich seiner Bestimmung würdig erweisen muss. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass somit gerade jene drei Zyklen den Bezug auf den unverwechselbaren „Einen“ betonen, die als serielle, mehrfach verwertete Blockbuster ganz offen film- und kulturhistorische Vorbilder wiederverwerten. Hier mag es auch um verlagerte Ansprüche der synthetisierten Werke als neue Originale gehen. Doch wieso, so ließe sich in Abgrenzung zum „Herrn der Ringe“ fragen, muss nun General Grievous auch noch wie eine asthmatische Maschinenversion des Tolkien’schen Herrn der Nazgul debütieren? Und warum sieht der Ort des finalen Duells zwischen Anakin und Obi-Wan so aus, als sei der Schicksalsberg in Mordor explodiert?

Ein Wiedererkennungswert bleibt jedoch bis zur letzten Filmminute ganz allein „Star Wars“ vorbehalten: Kein anderer Blockbuster dieser Tage erzählt mit so antiquiertem Rhythmus seine Geschichte – die unverwüstliche Parallelmontage, Eins-zwei-Wechselschnitt zum nächsten Schauplatz, ist seit 1977 die treibende narrative Kraft dieser Filme. Der Filmtheoretiker David Bordwell hatte vor fünf Jahren nach dem Start der neuen Trilogie hämisch bemerkt, der Neubeginn sähe ganz so aus, als habe George Lucas seit über zwanzig Jahren keinen aktuellen Film mehr gesehen.

„Die Rache der Sith“ dürfte Bordwell in seinem Urteil bestätigen und die Fans darin, dass gerade hier der Charme dieses Opus liegt. Das „Star Wars“-Projekt jedenfalls weiß um diese Qualität und demonstriert das zum Abschied wie eine kleine Verbeugung: Es wird die Parallelmontage sein, die Padmés letzten und Darth Vaders ersten Atemzug vereint.