Aus der Zeit gefallen

„Monitor“ feiert heute 40. Geburtstag (21.45 Uhr, ARD). Am Anspruch des Politmagazins hat sich nichts geändert – nur an seinem Einfluss

AUS KÖLN PASCAL BEUCKER

Was für ein Geburtstag! Als das Politikmagazin „Monitor“ fast auf den Tag genau vor vierzig Jahren das erste Mal in der ARD auf Sendung ging, war das Fernsehen noch schwarz-weiß und auch ansonsten recht muffig. Die Sendungen begannen um 17 Uhr mit der Kinderstunde und endeten mit der Spätausgabe der „Tagesschau“ um 22.30 Uhr. Seit der Erstausstrahlung hat die Republik sechs Bundeskanzler erlebt – hingegen nur vier „Monitor“-Redaktionsleiter: Von 1965 bis 1981 leitete der im vergangenen Jahr verstorbene, stets dick bebrillte und scharfzüngige Zyniker Claus Hinrich Casdorff die Sendung. Im folgte für zwei Jahre der nuschelnde Analytiker Gerd Ruge. Im Herbst 1983 brach dann die 18-jährige Ära des pastoralen Mahners Klaus Bednarz an. Seit Januar 2002 steht nun mit der früheren ARD-Auslandskorrespondentin Sonia Mikich erstmalig eine Frau der Redaktion vor. An dem Anspruch der unter anderem zweimal mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Sendung hat sich indes bis heute nichts geändert.

Immer noch sieht sich „Monitor“ einem „klassischen, handwerklich sauberen Journalismus ohne formale Spielereien und ohne Sensationshascherei“ verpflichtet, weiterhin gilt, dass sich „Monitor“ weigert, „irgendeinen Medienschnickschnack mitzumachen“, wie es Bednarz einmal formuliert hat. Geändert hat sich jedoch die Wirkung. Denn anders als in den Sechziger- und Siebzigerjahren gehören politische Magazine schon lange nicht mehr zu den Pflichtsendungen aller politisch Interessierten.

„Monitor“ wolle „wie früher Machtstrukturen durchleuchten und Machtmissbrauch aufdecken und zeigen, wie es gesellschaftlich weitergehen könnte“, betont die heutige Redaktionsleiterin Mikich. Und: „Wir bringen Bewegung in die öffentliche Diskussion.“ Doch das ist vor allem ein frommer Wunsch. Auch wenn sich immerhin noch zwischen drei und vier Millionen Menschen regelmäßig alle drei Wochen den „beschwingten Dinosaurier“ (Mikich) anschauen: Dass „Monitor“-Beiträge für breitere öffentliche Aufregung sorgen, ist selten. Ach, was waren das noch für Zeiten, als sich Politiker wie Franz Josef Strauß über die „rote Reichsfernsehkammer“ echauffierten oder Springers Welt sich genötigt sah, die WDR-Journalisten als „hysterische Spurensucher“ mit „manischer Aufklärungslust“ zu geißeln!

So ist denn besonders auf dem politischem Feld die unmittelbare Wirkung nur noch höchst bescheiden. Schon zum 30. Geburtstag beklagte der damalige Redaktionsleiter Bednarz, dass man Politiker inzwischen fast schon körperlich angreifen müsse, um von ihnen wahrgenommen zu werden. Und selbstverständlich würde sich heute kein Politiker mehr jenen unbotmäßigen „Überfallfragen“ stellen, mit denen sein Vorvorgänger Casdorff und Rudolf Rohlinger einst Strauß 1972 legendär ins „Kreuzfeuer“ nahmen.

„‚Monitor‘, schrieb Karl Wachtel zum 35. Geburtstag in der taz, „blieb stets der investigative Unruhestifter, als der er gestartet war“ – allerdings ein leicht anachronistischer. Denn die eher spröde Vermittlungspose, Themen jenseits von Fastfood und VIP-Lounges, das Mahnende und Erinnernde werde nicht unbedingt mehr honoriert in einer Fernsehwelt, die zunehmend exhibitionistisch und marktschreierisch geworden sei. Nun sind weitere fünf Jahre ins Land gegangen. Und abgesehen von einer zwischenzeitlichen Verschiebung des Programmplatzes von 21 auf 20.15 Uhr scheint für „Monitor“ die Zeit irgendwie stehen geblieben zu sein.

Wie es demnächst mit „Monitor“ weitergehen wird, ist ungewiss. Fest steht nur, dass der mediale Dauerbrenner weiter laufen wird. So versprach Programmdirektor Günter Struve auf dem „Medientreffpunkt Mitteldeutschland“ am 10. Mai in Leipzig, auch nach der ARD-Programmreform im kommenden Jahr werde die Anzahl der Politikmagazine nicht reduziert. Aber über die zukünftige Länge von „Monitor“ wie auch von „Panorama“, „Fakt“, „Kontraste“ und der beiden „Report“-Sendungen aus Mainz und München sei innerhalb der ARD noch keine Einigung erzielt worden. Wegen der Verschiebung der „Tagesthemen“ auf 22.15 Uhr ist nach wie vor eine generelle Kürzung aller Magazine von 45 auf 30 Minuten in der Diskussion. Aber auch ein Modell, nach dem vier auf 60 Minuten ausgedehnt und zwei auf 30 Minuten bei erhöhter jährlicher Schlagzahl gekürzt werden sollen. „Monitor“ hofft natürlich auf die Stunde und hat für morgen (23.30 Uhr, WDR) schon mal eine Pilotversion vorbereitet.

Ihr Jubiläum jedenfalls kann die Sendung heute Abend noch in der altbewährten Form feiern – in jeglicher Hinsicht. Als Anspruch ihres Redaktionsteams formuliert Sonia Mikich weiter unerschütterlich: „Wir haben ein Anliegen, kritisch, ja radikaldemokratisch zu sein.“ Was immer noch nicht das Schlechteste ist.