Criss Cross Identity

Der andere Sex: Die Kompilation „fucking different!“ versammelt fünfzehn lesbische und schwule Perspektiven auf das jeweils andere Geschlecht

„In welchem Maße manifestiert sich Sex in dem Wunsch, im Körper eines anderen zu sein?“, fragt William S. Burroughs in seinem „Bericht aus dem Bunker“. Und er leitet daraus seine eigene Vorliebe für männliche Körper ab –denn schließlich „weiß man ganz genau, was der andere empfindet, weil man sich hundertprozentig in seinen Partner hineinversetzen kann. Bei heterosexuellem Geschlechtsverkehr hast du keine Ahnung, was die andere Person empfindet.“ Diese Frage sollte jede und jeder für sich selbst beantworten, wichtig bleibt, sie überhaupt zu stellen.

Auch in den ersten beiden Beiträgen der Kurzfilmanthologie „fucking different! 15 x queer crossover“, des jüngsten Produkts der Cazzofilm Berlin, steht sie im Mittelpunkt. „Geile Sau“ von Heidi Kull und Martina Minette Dreier lässt zwei im Bett liegende Frauen darüber spekulieren, welchen Männertyp sie wohl verkörpern würden, wenn beide ein schwules und kein lesbisches Paar wären, und wie sich ihr Liebesleben konkret gestalten würde. In „Der andere Planet“ von Jörg Andreas Polzer monologisieren abwechselnd zwölf schwule Männer über ihre Vorstellungen von lesbischem Sex in die Kamera („Frauen reden ganz viel und kämmen sich die Haare“). Ihre Mutmaßungen über die als außerirdische Spezies empfundene Gattung der homosexuellen Frau werden mit unkommentierten Aufnahmen von lesbischen Paaren verschnitten. Die Grundidee von „fucking different!“ ist ebenso einfach wie brillant: Sieben lesbische und sieben schwule FilmemacherInnen wurden gebeten, jeweils einen zwischen drei und sieben Minuten langen Film beizusteuern. In ihren Beiträgen sollten die Männer über lesbische, die Frauen über schwule Sexualität reflektieren; Inhalt und Form waren dabei völlig freigestellt. Ergebnis ist eine naturgemäß sehr uneinheitliche Anthologie, deren Reiz aber gerade in dieser Heterogenität liegt: mal erhellend oder erheiternd, mal banal oder kitschig, in jedem Fall unterhaltend. Durch die spiegelverkehrten Perspektiven ergaben sich offenbar in den meisten Fällen reizvolle Spannungsfelder. Ob als parodierter Videoclip („Sternenstaub verloren …“), als visualisierte Sexualfantasie („Pracht“) oder als ironische Hommage an Giuseppe Arcimboldo und Kenneth Anger („Motorcycle in Love“) – in ihrem Grundton fallen fast sämtliche Einzelfilme entspannt bis heiter aus. Auffällig ist das Fehlen von störenden und verstörenden Momenten in formaler wie inhaltlicher Hinsicht.

Wenigstens findet Michael Brynntrup in „Blue Box Blues“ zu so etwas wie einer medienkritischen Position: Ausgehend von der Fotografie eines weiblichen Paares, die intensives gegenseitiges Vertrauen suggeriert, macht er den von viel Personal und Technik begleitenden Entstehungsprozess des Bildes als professionell-abgeklärten Vorgang deutlich, der im deutlichen Gegensatz zur deklarierten Botschaft des Fotos steht.

Am sonstigen Feel-good-Gestus der „fucking different!“-Rolle kratzt außer ihm nur noch „Mit Herz“ von Kristian Petersen, in dem das Klischee vom lesbischen Kuschelsex ausgerechnet durch das Objekt des Filmtitels in sein Gegenteil verkehrt wird. Ansonsten scheint das subversive Potenzial der Szene weitgehend erschöpft. CLAUS LÖSER

„Fucking different“, 19. bis 22. 5., Eiszeit 2 (OmU); 22. bis 24. 5., Lichtblick