Strategien gegen Anmache

Die Kölner Organisation „Zartbitter“ stellt ein Präventionskonzept gegen sexuellen Missbrauch von Kindern in Chaträumen vor. Oft sind die Täter selbst noch Kinder

KÖLN taz ■ „Früher hieß es immer nur ,Stecker raus!‘. Es gibt aber ganz einfache Tricks, mit denen Kinder sexuelle Belästigung im Chat beenden können. Diese wurden bislang nicht publiziert“, so die Diplompädagogin Ursula Enders von der Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch „Zartbitter e.V.“ in Köln. Nun geht „Zartbitter“ mit einem neuen Präventionskonzept bundesweit in die Offensive.

Bei dem gestern vorgestellten Projekt „click it!“ geht es um Verhaltensstrategien, derer sich sowohl Kinder und Jugendliche als auch deren Eltern bemächtigen sollen, um Missbrauchsfällen vorzubeugen, oder, im Missbrauchsfall helfen zu können. Man müsse die Kinder stark machen und ihre Eltern ermutigen, sich mit dem Medium zu beschäftigen und es gemeinsam mit den Kindern zu erkunden.

„Was wir nicht gebrauchen können, ist die Publikation des Horrors“, so Enders weiter. Den Eltern müsse Mut gemacht werden, sich mit dem Medium zu beschäftigen. Elterliche Verbote bewirkten bei den Kindern nur, dass diese heimlich in Internetcafés oder bei Freunden chatten. Chatten gelte als „cool“ und gehöre zu ihrer Lebensrealität.

In Chaträumen fänden Kinder eine Welt vor, in der sie sich ohne elterliche Aufsicht ausprobieren, Rollen spielen und Fragen zu allen möglichen Themen, auch sexuellen, stellen könnten. „Die Kinder fühlen sich in ihrer häuslichen Umgebung vor dem Bildschirm total sicher, meinen alles im Griff zu haben, bekommen aber nicht mit, wie sie ausgetrickst werden“, erläuterte Ursula Enders. Erwachsene könnten in einem Chatraum kindliche oder jugendliche Identitäten vortäuschen, potenzielle Opfer ausspionieren und manipulieren.

Der Missbrauch geschehe auf vielfältige Weise. Verbal, durch Konfrontation mit schockierenden Bildern bis hin zum tätlichen Missbrauch bei einer tatsächlichen „Verabredung“. „Zahlen können keine genannt werden“, sagte Ursula Enders, „aber es vergeht keine Woche, in der nicht ein neuer Fall bekannt wird“. Doch nicht nur Erwachsene – aus allen Gesellschaftsschichten – gehörten zum Täterkreis. Laut des Berichts von „Zartbitter“ werden „etwa ein Drittel aller Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Tätern unter 18 Jahren verübt.“

VOLKER LEPRICH

Weitere Informationen über „click it“ bei „Zartbitter“, Sachsenring 2-4, 50677 Köln, Tel. 0221/31 20 55, im Internet www.zarbitter.de