Kompost-Lobby macht Europa Druck

Seit fünf Jahren lässt die vorgesehene separate EU-Richtlinie für Biomüll auf sich warten. Doch Brüssel blockt ab und setzt nur auf einzelstaatliche Regelungen. Umweltverbände schließen sich gegen Verzögerungstaktik zusammen

BRÜSSEL taz ■ 30 Millionen Biomüll produzieren die Bürger der 25 EU-Mitgliedstaaten im Jahresdurchschnitt, schätzen europäische Umweltverbände. 2009 sollen es sogar 60 Millionen sein. Doch bisher ist auf europäischer Ebene überhaupt nicht geregelt, wie der organische Abfall gesammelt, entsorgt und wiederverwertet werden soll.

Aus diesem Grund haben sich nun einige Umweltverbände und die Kompostlobby zusammengetan, um von EU-Umwelt-Kommissar Stavros Dimas endlich eine Erklärung für diese Verzögerung zu bekommen. Denn die EU-Kommission denkt offiziell schon seit fünf Jahren über eine mögliche Biomüll-Richtlinie nach. Bereits mehrfach hat auch das Europäische Parlament eine solche Vorlage gefordert. Passiert ist bisher allerdings – nichts.

„30 bis 55 Prozent des Hausmülls sind Biomüll. Das ist also ein sehr ernsthaftes Problem“, sagt Melissa Shinn vom Europäischen Umweltbüro. Zurzeit wird der Biomüll nur in wenigen EU-Ländern getrennt gesammelt und entsorgt. Vor allem in den südeuropäischen und den neuen Mitgliedstaaten landen Essensreste, Holz und Papier weiterhin auf den allgemeinen Deponien. Und dort können sie großen Schaden anrichten. „Der organische Abfall verfällt und hinterlässt ein Loch im Boden. Durch dieses kann verschmutztes Sickerwasser in den Boden gelangen, und Gase werden in die Luft abgegeben“, sagt Josef Barth vom Europäischen Kompost-Netzwerk aus Weimar. Also eine doppelte Gefahr für den Boden und den Klimaschutz.

Deutschland ist in dieser Hinsicht ausnahmsweise einmal ein leuchtendes Beispiel in der Union. „In Deutschland wird jedes Jahr pro Kopf der meiste Bioabfall kompostiert“, sagt Melissa Shinn. Allerdings könnte auch hierzulande einiges noch verbessert werden, zum Beispiel bei der Reinigung und der Qualität des Komposts. Und eine europaweite Regelung hätte auch in Deutschland positive Auswirkungen, sagt Melissa Shinn: „Eine solche Richtlinie hätte den Vorteil, dass alle europäischen Staaten auf dem gleichen Niveau wären – also auch die gleichen Kosten für das Abfallmanagement hätten.“ Außerdem verringere sich das Risiko, dass Abfall in Nachbarländer geschmuggelt wird, weil dort die Entsorgungspreise niedriger oder die Auflagen nicht so hoch sind.

Besonders wichtig sei eine solche Richtlinie für die neuen Mitgliedstaaten. Dort wird gerade erst die Infrastruktur zur Abfallentsorgung auf- bzw. umgebaut. „Ein klares Zeichen für das Kompostieren ist zurzeit also besonders wichtig – auch für die Investoren“, sagt Barth.

Die EU-Kommission will davon aber vorerst nichts wissen. „Der Bioabfall macht nur einen ganz kleinen Teil des gesamten Hausmülls aus. Und wir haben schon jetzt große Probleme bei der Umsetzung der anderen Abfall-Richtlinien“, sagt Barbara Helfferich, Sprecherin des EU-Umweltkommissars.

Die Kommission will Vorschriften zum Biomüll lieber einfach in die übrigen Abfall-Richtlinien integrieren. Dann soll es den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen werden, wie genau sie sammeln und entsorgen. Melissa Shinn vermutet dahinter eine Hinhaltestrategie der Kommission: „Zurzeit ist für Brüssel Deregulierung am wichtigsten“ – neue, kleinteilige Richtlinien stören da nur. Jetzt warten die Verbände erst einmal auf Antwort vom Kommissar. Die soll in den nächsten Tagen eintreffen. RUTH REICHSTEIN