Verfolgung bis ans Krankenbett

Flüchtlingshelfer: Abschiebung eines Afghanen aus der Psychiatrie nur durch Arzt verhindert. Kabul-Rückführungen in der Bürgerschaft umstritten

Die Ausländerbehörde hat versucht, einen afghanischen Flüchtling aus dem Krankenhaus zu holen, um ihn nach Kabul abzuschieben. Das berichtete gestern die Flüchtlingsberatungsstelle Café Exil. Wie die Behörde bestätigte, hatten am Montag wie am Dienstag Polizeibeamte die Psychiatrie des AK Harburg aufgesucht. Dort wird der Afghane Daved M. wegen Suizidgefahr stationär behandelt. Der 22-Jährige war am Freitag kollabiert, als er in Abschiebehaft genommen werden sollte. Laut Café Exil schritt eine Krankenschwester ein, als sich die Beamten Zugang zum Zimmer von M. verschaffen wollten und alarmierte einen Arzt. Dieser habe erklärt, eine Entlassung des Patienten nicht verantworten zu können.

„Es ging nicht darum, den Mann zu verhaften“, versichert Behördensprecher Norbert Smekal. Die Polizei sei auf Veranlassung des Amtes gekommen, „um zu gucken, ob der Mann da ist“. M.s Anwalt Thorsten Buschbeck rügte, es gebe keine Rechtsgrundlage für den Besuch. Wie er auch mitteilte, wurde der Asylfolgeantrag des Mandanten vom zuständigen Bundesamt jetzt mit der Belehrung abgelehnt, es liege kein Wiederaufgreifungsgrund vor, da die Lage in Afghanistan lange bekannt sei.

Der von Innensenator Udo Nagel (parteilos) angekündigte „Rückführungsbeginn“ von zunächst mehreren hundert allein stehenden afghanischen Männern gelang auch gestern nicht. Laut Smekal sollten zunächst drei Flüchtlinge fliegen. Diese erhielten jedoch Aufschub, weil sie Asylanträge stellten. Nur ein Vorbestrafter sei zum Kabul-Flieger nach Frankfurt gebracht worden. Straftäter waren auch zu Zeiten des generellen Abschiebestopps vor Ausweisung nicht geschützt.

Unterdessen forderte das Café Exil die Bürgerschaft und Bürgermeister Ole von Beust (CDU) in einem Schreiben auf, die Ängste der Flüchtlinge vor einer Rückkehr zum jetzigen Zeitpunkt „ernst zu nehmen“ und sich für einen Stopp der Abschiebeversuche einzusetzen: „Das Land ist noch nicht sicher, die Kriegshandlungen sind nicht abgeschlossen.“ In Hamburg leben etwa 15.000 Afghanen, ein Drittel von ihnen will der Senat möglichst rasch ausfliegen.

Er verstehe „die ganze Aufregung gar nicht“, behauptete Senator Nagel gestern in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft. Abschiebungen nach Afghanistan erfolgten „nach Recht und Gesetz“ und würden deshalb von Hamburg „weiterhin angestrebt“. An seinem Kurs, versicherte Nagel, „wird sich nichts ändern“.

Genau das hatte zuvor die Opposition kritisiert: „Hektischen Abschiebeaktionismus“ bescheinigte Antje Möller (GAL) Nagel angesichts der Tatsache, „dass niemand die Lage in Afghanistan für sicher hält außer dem Senator“. Abschiebungen in das Bürgerkriegsland seien nicht zu verantworten, „so lange Deutschland kein Rückführungsabkommen mit Afghanistan geschlossen hat“. Diese Voraussetzung aber fehle, deshalb sei Nagels Alleingang „unanständig“.

Seine harte Linie stehe zudem im Widerspruch zu den Beschlüssen der Innenministerkonferenz, hielt Aydan Özoguz (SPD) dem Senator vor. Ihre Fraktion sei „nicht grundsätzlich“ gegen Abschiebungen nach Afghanistan, das Vorpreschen des Senats aber habe mit „Sensibilität und Humanität“ nichts zu tun.

Was CDU-Innenpolitiker Christoph Ahlhaus nachdrücklich bestritt. Hamburg mache „keinen Alleingang, sondern nimmt eine Vorreiterrolle ein“, differenzierte er feinsinnig. Und warf der GAL vor, sie wolle nur „das harte persönliche Schicksal von Flüchtlingen parteipolitisch instrumentalisieren“.Eva Weikert/Sven-Michael Veit