Wenig Gedöns, viel Realitätssinn

Rot-Grün, wir danken dir (2): Die Natur gibt es nicht gratis. Viel ist den Grünen nicht gelungen, doch diese Einsicht dürften sie durchgesetzt haben

Das Beste zuerst: Es ist den Grünen zwar nicht viel gelungen, aber auf ihre Art haben sie es tatsächlich geschafft, der alten unsterblichen Vorstellung sozialdemokratischer Theorie, dass die Natur „gratis da ist“, den Boden zu entziehen. Dass das Produkt dieser Wühlarbeit „Ökosteuer“ heißt, trübt zwar etwas die Freude, aber das kann einem auch schon wieder egal sein. Die Ökosteuer jedenfalls wird bleiben. Dass der Wald trotzdem weiter stirbt, ist zwar so, lässt sich aber erst mal nicht ändern.

Ändern konnte man aber etwas anderes: nämlich den Blick auf die offenbar problematischen Bezirke wie Atomenergie, Übermedikamentisierung der Körper und Vergiftung der Atemluft. Recht besehen liegen die Lösungen, die die Grünen in ihren Anfangsjahren anboten, außerhalb des Zeithorizonts von Politik. Das wurde ihnen auch schnell klar und sie begannen, die Erfordernisse ihrer Themen mit den Zeitvorstellungen von Wirtschaft, SPD und ihrer Klientel abzustimmen. Das taten sie ohne viel Gedöns und mit einem bemerkenswerten Real-Sinn. Es war auf dem Jour Fixe einer überregionalen Zeitung im Hamburger Bahnhof in Berlin, als eine grüne Gesundheitsministerin im Gespräch über die damals boomenden Gen-Tech-Start-Ups cool meinte: „Aber Sie wissen doch, dass es in der Politik nicht um wissenschaftliche Genauigkeit geht.“ Das saß, war angewandter Luhmann und nahm das Ende vorweg.

Es hatte aber auch etwas Schönes. Man konzentrierte sich danach bei Veranstaltungen nicht mehr so sehr auf das, was die grünen Minister sagten, man folgte einfach ihrem Auftritt. Und da waren sie klasse. Bei Jürgen Trittin passte etwa alles. Der abgenommene Bart, der schöne graue Anzug, die Schuhe und die Freundin. Das war konkurrenzlos grandios. Das war die Ökologie der neuen Mitte. Und es dauerte auch nicht lange, da fand Trittin die richtigen Worte für die Berber vom „Helmi“, wie er den Helmholtzplatz im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg zu nennen pflegt. Seine Klientel, meinte Trittin, habe jetzt Kinder und die – die sollen es ja mal besser haben – müsse man nun eben schützen vor Bier trinkenden Berbern mit mehr Polizeipräsenz. Da war sie wieder, die alte unsterbliche sozialdemokratische Theorie vom Fortschritt der Fertigkeiten und Kenntnisse ohne Menschen. Dafür zum Ende sei euch nun gedankt: was ist die Geschichte gegen die SPD? Eben nur ein Wimpernschlag der seufzenden Kreatur.

CORD RIECHELMANN