Lichtenberg wird Volksrepublik

In Lichtenberg dürfen die BürgerInnen künftig über Teile des Haushalts mitbestimmen. Auch andere Bezirke finden diese Idee gut. Knake-Werner: „Bürgerhaushalt ist ein Stück direkter Demokratie“

VON PHILIPP DUDEK

Als erster Berliner Bezirk hat am Mittwochabend Lichtenberg das Beteiligungsverfahren zum so genannten Bürgerhaushalt beschlossen. Ab dem Haushaltsjahr 2007 wird jetzt ein Teil des öffentlichen Haushalts unter direkter Beteiligung der BürgerInnen aufgestellt. Rund 5.000 zufällig ausgewählte LichtenbergerInnen dürfen so mit entscheiden, wofür der Bezirk etwa 30 Millionen Euro ausgeben wird. Vorschläge und Ideen zur Mittelvergabe können ab Herbst diesen Jahres eingereicht werden, etwa über das Internet. Mitreden dürfen die BürgerInnen unter anderem über die Gelder für Kultureinrichtungen und zur Grünflächenpflege. Finanziert wird das Pilotprojekt zu großen Teilen aus der Senatskasse.

„Ich erhoffe mir davon einen politischen Motivationsschub gegen die Politikmüdigkeit in Lichtenberg“, sagte Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (PDS) gestern der taz. Dass die LichtenbergerInnen plötzlich das Geld zum Fenster rausschmeißen werden, glaubt sie nicht: „Ich denke, der Prozess zum beschlossenen Haushalt wird künftig langwieriger. Aber ich glaube nicht, dass das Geld grundsätzlich anders vergeben wird als früher.“ Die Bürgermeisterin hofft künftig vor allem auf eine größere Akzeptanz bei der Vergabe der Gelder. Schließlich hätten sich die BürgerInnen zuvor mit den finanziellen Problemen des Bezirks kritisch auseinander gesetzt und den Haushalt mitbeschlossen.

Ab Oktober werden jene rund 5.000 LichtenbergerInnen zufällig ausgewählt, die künftig über den Haushalt entscheiden dürfen. Gleichzeitig soll es eine große Auftaktveranstaltung zum Bürgerhaushalt geben.

Nach Aussage von Christina Emmrich zeigten sich auch andere Bezirke an dem Projekt interessiert. Die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Cornelia Reinauer (PDS), sagte der taz: „Wir finden das Konzept sehr gut, werden aber die Entwicklung in Lichtenberg abwarten.“ Als einen ersten Schritt wird der Bezirk seinen Haushaltsplan 2006 bürgernah aufbereiten und ins Internet stellen. „Wir schaffen Transparenz“, sagte Reinauer.

Dass es schon bald einen Bürgerhaushalt für ganz Berlin geben wird, hält Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) allerdings für unwahrscheinlich. Die Umsetzung eines solchen Projekts sei noch zu kompliziert. Der Bürgerhaushalt sei jedoch grundsätzlich ein geeignetes politisches Instrument. „Ich finde, das ist ein gutes Modell zur Partizipation, das das Interesse an der Politik fördern kann“, sagte Heidi Knake-Werner. „Der Bürgerhaushalt ist ein Stück direkter Demokratie.“

bericht SEITE 23