Sie steht ihren Mann

VON ANNETT GRÖSCHNER

Vor ein paar Tagen sagte mir jemand, ich müsse Angela Merkel wählen, schließlich sei sie eine Ostfrau und wir Frauen müssten doch ein Interesse daran haben, dass es zum ersten Mal in der deutschen Geschichte eine Kanzlerin gebe. „Wie sollt ihr sonst beweisen, dass ihr das auch könnt. Oder auch nicht“, fügte er hinzu und ließ sich dann über ihre heruntergezogenen Mundwinkel, die Frisur und die Kostüme aus. Taugt Angela Merkel als Role Model?

Ich muss zugeben, dass ich in der Frage ein gespaltenes Wesen bin. Angela Merkel in ihrer Partei muss ich Respekt zollen. Sie war sich im rechten Moment nicht zu schade, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, wie einst die Trümmerfrauen, und sie hat das ziemlich effektiv und mutig gemacht.

Andererseits ist sie meine politische Gegnerin und deshalb genau so wenig wählbar wie ihre Partei. Ihr Oberlehrerinnengetue geht mir auf die Nerven, und ich frage mich, warum ich mit ihr als Frau solidarisch sein soll, wenn sie es noch nicht einmal in ihrer Rolle als Frauenministerin war. Im Gegenteil. Sie war in diese Funktion so blass und angepasst, dass man sich erst einmal wieder in Erinnerung rufen muss, dass sie dieses Amt von 1991 bis 1994 innehatte (Familie hatte ihr Übervater Kohl natürlich nicht gegeben). Ich kann mich nicht erinnern, dass eine von uns, ich war damals in der ostdeutschen Frauenbewegung, stolz darauf gewesen wäre, dass eine Frau aus dem Osten Ministerin für Frauen und Jugend in der ersten gesamtdeutschen Regierung geworden war. Sie war damals, wahrscheinlich aus Angst, etwas falsch zu machen, wertkonservativer als heute. „Angesichts der schwierigen nationalen Lage ist momentan nicht der Zeitpunkt, das klassische Verständnis von Mann und Frau zu ändern“, hat sie damals der Reporterin der taz in den Block diktiert. Und das Gegenteil gemacht, aber eben nur für sich wie viele Einzelkämpferinnen in Männerdomänen. Dabei hätten die Frauen damals ihre Solidarität und ihr Durchsetzungsvermögen nötig gehabt. In Ostdeutschland galt noch die Fristenlösung für den Schwangerschaftsabbruch, bis Ende 1992 musste eine gesamtdeutsche Lösung gefunden werden. Sie hat in der Frage nur herumgeeiert und sich darauf berufen, es sei Aufgabe des Justizministers, eine Neuformulierung zu finden. Letztendlich wollte sie es in ihrer neuen Partei allen recht machen. Der Ausgang ist bekannt, die Fristenlösung wurde abgeschafft.

Angela Merkel ist Frauenpolitik und Gleichstellung herzlich egal. Sie steht halt ihren Mann. Ein ganzer Kerl. Kann sein, dass man mit ihr Pferde stehlen kann.

Eine bessere Gleichstellungspolitik wird es mit ihr nicht geben. Aber ich bin mir gar nicht sicher, ob sie, auch wenn die Union die Wahlen gewinnt, am Ende wirklich Bundeskanzlerin sein wird oder ob sich nicht in letzter Sekunde ein Hilfsbrutus in den eigenen Reihen findet. Sie hat sich ja mit einer Menge angepasster (männlicher) Karrieristen umgeben, denen man die Kompetenz, eine Regierung zu bilden, einfach nicht zutraut.