Pragmatische Proteste angesagt

Studierende demonstrieren nur dort gegen Gebühren, wo sie tatsächlich geplant sind

LEIPZIG taz ■ In fünf Großstädten gehen Studierende heute gegen Studiengebühren auf die Straße. Die Proteste sollen in Hannover, Halle, Frankfurt am Main, Dresden und Potsdam zeitgleich starten. Insgesamt rechnen die Veranstalter mit mehr als 25.000 Teilnehmern. Weniger als erwartet.

„Ich hatte mir mehr Resonanz erhofft“, sagt Sascha Pommrenke vom Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) der Uni Hannover. Die Demonstrationen am Donnerstag sind der vorläufige Höhepunkt eines „Protestsommers“, den Studierendenvertreter, Gewerkschaften und Schülervertretungen angekündigt hatten, nachdem das Karlsruher Verfassungsgericht Gebühren grundsätzlich gebilligt hatte.

„Es ist noch nicht ganz so angekommen, dass Studiengebühren eine ernsthafte Bedrohung sind“, sagt Pommrenke. Insgesamt sei es recht ruhig in der Studierendenschaft. Das Dilemma der Protestwilligen ist, dass die Gebühren, die es zu verhindern gilt, noch nicht eingeführt worden sind. Es ließen sich eben keine Massenproteste organisieren, wenn der konkrete Anlass fehle, meint auch Nele Hirsch vom Dachverband der Studierendenschaften fzs.

An vielen Hochschulen melden die Aktiven bisher keine besonderen Vorkommnisse. Ausnahmen bilden Hamburgs Hochschulen und die Unis in Freiburg, Stuttgart, Göttingen und Nürnberg.

In den unionsregierten Ländern Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg müssen Studierende spätestens ab dem nächsten Jahr mit 500 Euro pro Semester rechnen. Deshalb besetzen Studierende seit Semesterbeginn Büros der Hochschulleitungen und die Campus. In Hamburg ernteten sie harte, dafür medienwirksame Reaktionen von der Polizei. „Da wir alle betroffen sind, werden die Vollversammlungen und Aktionen rege besucht“, erklärt Yasmine Liebhart, die im süddeutschen Hochschulnetzwerk mitarbeitet.

Wer nicht betroffen ist, der hält sich jedoch zurück. „Wir treten auf der Stelle“, sagt Henning Schulze vom Studentenrat (Stura) der Uni Leipzig. Die Leipziger wollten ursprünglich mit 3.000 Leuten bei der sachsenweiten Demo in Dresden präsent sein, jetzt kommen nur 500. Sächsischen Studierenden fehlt der Anlass: Das Bildungsministerium hat Gebührenfreiheit versprochen. „Das ist das größte Hemmnis hier: Erst mal ist Ruhe im Karton“, sagt Schulze.

In anderen Ländern könnte es jedoch bald rappeln. In Nordrhein-Westfalen steht das Thema Studiengebühren seit dem Machtwechsel wieder ganz oben auf der hochschulpolitischen Agenda. Die bald regierende CDU will Gebühren sobald als möglich eintreiben lassen. Seit Dienstag ist in Essen/Duisburg der Campus besetzt. Für den 26. Juni hat der Asta zusammen mit Schülervertretern und Gewerkschaftsjugend zur landesweiten Demonstration aufgerufen.

Die Frage ist, ob die Studierenden es schaffen werden, mehr als die eigene Klientel zu mobilisieren. Bisher sei eine große Bewegung nicht in Sicht, räumt der Leipziger Stura-Vertreter Henning Schulze ein. ANNA LEHMANN