Herzinfarkt in Abschiebehaft

Ein Flüchtling in Abschiebehaft erlitt einen Herzinfarkt. Das Wachpersonal schickte ihn dennoch zurück in seine Zelle

Das Personal im Abschiebegewahrsam in Grünau gerät immer mehr in Verruf. Am Samstagabend klagte ein 27-jähriger Insasse gegen 21.40 Uhr über schwere Brustschmerzen. Obwohl die Mithäftlinge durch lautes Rufen und Schläge gegen die Tür Hilfe anforderten, hätten die Beamten sie ignoriert, heißt es in einem Brief, den erboste Häftlinge des Abschiebegewahrsams der taz zugeschickt haben. Erst nachdem die Schmerzen auch vier Stunden später nicht nachließen, habe das Wachpersonal medizinische Hilfe geholt. Kurz nach Mitternacht sei er in das Krankenhaus Köpenick eingeliefert worden. Diagnose der Ärzte dort: Herzinfarkt. Seitdem befindet sich der Mann stationär im Krankenhaus. Sein Abschiebungsverfahren ist ausgesetzt.

Ob es sich sich tatsächlich um unterlassene Hilfeleistung handelt, wollte ein Polizeisprecher auf Anfrage der taz zunächst nicht bestätigen. Der Herzinfarkt sei lediglich nicht rechtzeitig erkannt worden, verteidigte der Sprecher seine Kollegen. Gegen das der Polizei unterstellte Wachpersonal im Abschiebegewahrsam Grünau wurde dennoch ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der unterlassenen Hilfeleistung und der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen eingeleitet.

„Wir fordern schon seit langem, dass die medizinische Versorgung unabhängig von der Anstaltsleitung erfolgen muss“, sagte Jens-Uwe Thomas vom Berliner Flüchtlingsrat. Der Vorfall sei bloß ein besonders extremes Beispiel für die allgemeinen miserablen Verhältnisse in Grünau. Entsetzt über den Vorfall war auch der evangelische Seelsorger in Grünau Dieter Ziebarth: Unter dem Vorbehalt, dass die Vorwürfe sich bestätigen, zeigte er sich besonders erschrocken, weil es vor zwei Jahren einen ähnlichen Vorfall gegeben hat. „Damals wurde mir garantiert, dass sich so etwas nicht wiederholt.“

Aus Protest gegen die ihrer Meinung nach schlechten Haftbedingungen befinden sich seit Montag vergangener Woche immer noch Insassen im Hungerstreik. Laut Polizeiangaben sind es noch vier. Die Initiative gegen Abschiebehaft berichtete hingegen lediglich von zwei. Einer hatte nach wenigen Tagen von sich aus abgebrochen, ein weiterer soll noch an diesem Freitag abgeschoben werden. FELIX LEE