Ein Auge auf Big Brother

Heute wird Alexander Dix zum Datenschutzbeauftragten gewählt. Besonders die Datensammelwut von Firmen stört ihn. Illusionen macht sich der 54-Jährige nicht: „Der gläserne Mensch ist Realität“

VON FELIX LEE

Das risikoreiche Onlinebanking nutzt er, auch E-Mails verschickt er unverschlüsselt, obwohl sie ungeschützter sind als Postkarten. Aber einen TOM-Comic in der taz wünscht er sich, der den Datenschutz thematisiert. Und zwar als Gegengewicht zu einem Micky-Maus-Heft, dem vor kurzem eine Spielzeugabhörwanze beilag. Das sei das größte Problem, sagt Alexander Dix: Inzwischen würden von jedem Einzelnen so viele Daten gesammelt und in Umlauf gebracht, dass der Normalbürger längst den Überblick verloren habe. „Big Brother schockt niemanden mehr.“

Wenn Alexander Dix heute vom Abgeordnetenhaus zum neuen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit gewählt wird, betritt er altbekanntes Terrain. Sieben Jahre hatte der 54-Jährige dieselbe Funktion in Brandenburg inne. Davor war er acht Jahre lang in Berlin Stellvertreter von Hansjürgen Garstka, der den Posten nach mehr als 15 Jahren Amtszeit im Frühjahr abgab. Nun kehrt Dix aus dem brandenburgischen Kleinmachnow zurück und möchte in den kommenden fünf Jahren in Berlin den Behörden und der Privatwirtschaft auf die Finger schauen. Er will darauf achten, dass sie mit ihrer Datensammelwut ja kein Unfug anrichten.

Trotz seiner langen Erfahrung steht dem obersten Datenwächter keine leichte Aufgabe bevor. Zum einen tritt er als Nachfolger von Garstka das Erbe eines der profiliertesten Datenschützer der Republik an; die Erwartungen an ihn sind entsprechend hoch. Zweitens hat gerade im privatwirtschaftlichen Bereich das Sammeln von personenbezogenen Daten inzwischen ein noch nie gekanntes Ausmaß angenommen. Inzwischen gebe es sogar Personalchefs, die bei Einstellungsgesprächen bereits wissen, in welchen Chaträumen sich die Bewerber schon aufgehalten haben, weiß Dix. „Der so viel beschworene gläserne Mensch ist längst Realität.“ Und anders als in Brandenburg muss der Datenschutzbeauftragte in Berlin über den Datenschutz nicht nur im öffentlichen, sondern auch im privatwirtschaftlichen Bereich wachen.

Dix ist gebürtiger Hesse und hat Rechtswissenschaften unter anderem in Bochum, Hamburg und London studiert. Seit 1985 lebt er in Berlin. Der bekennende Sozialdemokrat, der parteipolitisch bereits seit Jahren nicht mehr aktiv ist, würde sich zwar nicht als Alt-68er bezeichnen – damals war er noch Abiturient –, die Proteste gegen die Notstandsgesetzgebung hätten ihn jedoch durchaus auf das Thema Überwachung gebracht.

Er erinnert sich an zwei Richter, die bei der umstrittenen Verabschiedung schon 1969 gewarnt hatten: Wenn das Abhören von Telefonaten erst einmal zugelassen ist, dann ist es mit Wanzen und anderen Verhörmethoden auch nicht mehr weit. „Drei Jahrzehnte später beschließt der Bundestag den großen Lauschangriff“, bedauert Dix.

Den konnte der Jurist zwar nicht verhindern. Aber immerhin in Fragen der Akten- und Informationsfreiheit gilt Brandenburg seit seiner Amtszeit als Pionier. Als einzigem Bundesland wird im märkischen Flächenland ein Recht auf Einsicht in sämtliche amtliche Unterlagen garantiert.

Nicht zuletzt deswegen wird Dix’ Wechsel nach Berlin sicherlich bei einem die Sektkorken knallen lassen: Der brandenburgische Innenminister und CDU-Hardliner Jörg Schönbohm ließ in all den Jahren keinen Versuch ungenutzt, den ihm unbequemen Datenschutzbeauftragten zu disziplinieren. Doch bei Dix stieß er auf Granit, wusste jener doch genau um sein Recht der Unabhängigkeit. In Berlin rechnet Alexander Dix mit einem liberaleren Klima.