Spenden sammeln für mehr Markt

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft will die „Reform“-Bereitschaft auch im Wahlkampf fördern. Um ihre „Überparteilichkeit“ zu unterstreichen, gründet sie einen Förderverein und sucht Anschluss an die Universitäten

VON ULRIKE WINKELMANN

Es ist Wahlkampf, und die Freunde der Reformpolitik fürchten, die Parteien könnten das Volk mit Sicherheitsversprechen blenden. „Wir wollen, dass die Reformbereitschaft trotz Wahlkampf steigt“, erklärte gestern der Geschäftsführer der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM), Tasso Enzweiler. „Wir können uns keine Reformferien leisten.“ Unter „Reform“ wird bei der INSM vornehmlich verstanden, was die Kräfte des Marktes stärkt und staatliche Umverteilung zurückdrängt.

Um ihre Botschaft aufzufrischen, hat die INSM eine kleine Selbstreform eingeleitet: Gestern kündigten neben Enzweiler die INSM-Unterstützer Friedrich Merz, Florian Gerster und Dieter Lenzen die Gründung eines Fördervereins für die Lobby- und Marketingorganisation an.

Bislang hat allein der Arbeitgeberverband Gesamtmetall die Initiative mit rund 10 Millionen Euro jährlich getragen. Davon wurden vor allem aufwändige Public-Relations-Kampagnen etwa gegen die soziale Pflegeversicherung oder für Studiengebühren bezahlt. Nun soll mit einem Spenden sammelnden Verein „die gesellschaftliche Basis verbreitert werden“, sagte Enzweiler. „Besonders im wissenschaftlichen Bereich“ suche die INSM Anschluss.

Die Initiative braucht neue Quellen der Vertrauenswürdigkeit. Bislang hat sie die „Agenda 2010“-Politik zwar inszenatorisch unterstützt, doch ihre „Botschafter“ – meist Politiker und Unternehmer – haben auf den Podien der Republik für härtere und radikalere Schnitte geworben. Das Muster lautete: Die SPD ist auf dem richtigen Weg, aber andere sind noch weiter.

Auch gestern sagte der ehemalige SPD-Landesminister und Ex-Arbeitsämter-Chef Florian Gerster: „Soziale Übertreibungen müssen ein Stück weit zurückgenommen werden.“ Ein Beispiel mochte er nicht nennen. Friedrich Merz, Steuerexperte der CDU, forderte erneut einen „Mentalitätswechsel in der Bevölkerung“. Sie müsse die „freiheitliche Marktwirtschaft verstehen und unterstützen“.

Doch gleichzeitig hat die INSM nur schwer ihre Verbindung zum Arbeitgeberlager verbergen können. Um den Anspruch der Überparteilichkeit zu unterfüttern, sind andere Geldquellen und eine stärkere Anbindung an die Universitäten nun sicherlich geeignet. Enzweiler erklärte gestern, der gesamte Sektor Bildung werde gestärkt: „Kindervorlesungen“ an den Unis sollten der „Förderung der Grundbildung zur sozialen Marktwirtschaft“ dienen. Hierfür habe sich bereits der Freiburger Ökonom Bernd Raffelhüschen bereit erklärt, der für die INSM schon viele Pressekonferenzen über den unabwendbaren Untergang etwa der sozialen Pflegeversicherung gegeben hat.

Dieter Lenzen, nicht nur INSM-„Botschafter“, sondern auch Präsident der Freien Universität Berlin, erklärte gestern, zwar verspreche er sich von der INSM keine zusätzliche Förderung durch Unternehmen, sprich Drittmittel für seine Uni. Sie seien ihm auch nicht in Aussicht gestellt worden. Doch er erhoffe sich schon, dass durch seine „Expertise“, die er als Professor der Initiative zur Verfügung stelle, die „Sichtbarkeit der FU“ erhöht werde.

Die Organisation „Lobbycontrol“ erklärt, sie werde im Auge behalten, ob und wie die INSM sich an den Universitäten etabliere. „Wir gehen davon aus, dass die INSM weiterhin dem Arbeitgeberlager verpflichtet bleibt“, sagte Ulrich Müller von Lobbycontrol zur taz. David Hachfeld vom Asta der Freien Universität Berlin seufzte: „Wir fordern nach wie vor den Rücktritt Lenzens.“ Der Präsident „verabschiedet sich von der großen, offenen, unabhängigen Universität“.