Kein Wahlkreis für Superminister

NRW-Politiker rangeln um sichere Plätze für Bundestagswahl. SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement droht das politische Aus. JU-Chef Mißfelder will kandidieren – hat aber keinen Wahlkreis

VON MARTIN TEIGELER

Wolfgang Clement droht das politische Aus. Nach taz nrw-Informationen wird der SPD-Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit in seiner Heimatstadt Bochum keinen Wahlkreis für die wahrscheinliche Bundestagswahl am 18. September bekommen. „Ich bin der Bochumer Abgeordnete“, sagte SPD-Parlamentarier Axel Schäfer auf Anfrage. Clement könne ja beim Nominierungsparteitag gegen ihn kandidieren, so Schäfer. Auf die Frage, ob der Minister ein Bundestagsmandat anstrebe, antwortete eine Sprecherin des Clement-Ministeriums: „Er hat bislang keines und mir liegen keine Informationen vor, dass sich daran etwas ändern wird.“ Nach Auskunft von Mitgliedern der NRW-SPD-Landesgruppe hätte Clement auch keinen Wahlkreis gekriegt. Ein Parlamentarier zur taz: „So wie der aufgetreten ist, hat der keine Chance.“

Bei einer Sitzung der NRW-SPD-Landesgruppe in Berlin sei die Personalie Clement in dieser Woche kein Thema gewesen, sagt ein Sitzungsteilnehmer. „Er hat nicht nach einem Wahlkreis gefragt, und auch keinen angeboten bekommen.“ Seit der Wahlniederlage der NRW-SPD vor zwei Wochen ist das Ansehen des vermeintlichen „Superministers“ weiter rapide gesunken. Die Genossen machen die von Clement zu verantwortende Arbeitsmarktreform Hartz IV für die Wahlpleite verantwortlich. Laut Zeitungsberichten kam es vor einigen Tagen zum offenen Krach zwischen Clement und SPD-Chef Franz Müntefering. Angeblich soll Clement seine Partei mit einer Rücktrittsdrohung von einem Verzicht auf die geplante Senkung der Unternehmensteuern abgehalten haben. Vor der NRW-Wahl hatte die Bundesregierung Presseberichte dementiert, wonach der innerparteilich umstrittene Minister im Falle einer Niederlage im SPD-Stammland gehen müsse.

Unklar bleibt, ob Wolfgang Clement von der nordrhein-westfälischen SPD doch noch auf einem Reservelistenplatz nominiert wird. „Das Verfahren der Kandidaten-Nominierung ist gerade erst angelaufen“, sagte ein Parteisprecher zur taz. Ein offizieller Verzicht Clements auf ein Mandat liegt aber in Düsseldorf offenbar nicht vor. Der damalige NRW-Ministerpräsident war im Herbst 2002 von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ins Kabinett geholt worden. Wegen des abrupten Wechsels von der Landes- auf die Bundesebene hatte Clement bislang kein Bundestagsmandat. Will der bald 65-Jährige seine politische Karriere in Berlin fortsetzen, dürfte er bei der vorgezogenen Wahl im Herbst auf einen Platz im Parlament angewiesen sein. Ohne Mandat wäre Clement politisch geschwächt und müsste darauf hoffen, dass er erneut auf einen Regierungsposten berufen wird.

Andere bisher mandatslose Kabinettskollegen kandidieren dagegen für den Bundestag. So soll Bundesjustizministerin Brigitte Zypries bei einer vorgezogenen Bundestagswahl im Herbst den Wahlkreis Darmstadt für die SPD verteidigen. In NRW wird indes eine Bundestagskandidatur des abgewählten SPD-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück immer wahrscheinlicher. NRW-SPD-Landesgruppenchef Hans-Peter Kemper, der dem Vernehmen nach nicht wieder antritt, könnte Steinbrück seinen Wahlkreis Borken-Bocholt überlassen, heißt es. Auch eine Kandidatur Steinbrücks im Ruhrgebiet ist im Gespräch – zusätzlich könnte er auf Platz 1 der Liste antreten. In den nächsten Tagen entscheidet Steinbrück, ob er nach Berlin geht.

Auf Wahlkreissuche muss sich auch Philipp Mißfelder, Bundesvorsitzender der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union, begeben. „Ich habe klare Ambitionen zu kandidieren“, sagte Mißfelder der Netzeitung. Parteifreunde lästern schon über die Bemühungen des 25-jährigen Nachwuchspolitikers. „Erst hat er einen Wahlkreis in Bochum gesucht, dann hat er einen Korb bei der CDU in Essen bekommen“, sagt ein CDU-Landespolitiker. Jetzt sei eine Bewerbung im Wahlkreis 122 (Recklinghausen, Castrop-Rauxel, Waltrop) möglich. Für diesen Fall müsste sich Mißfelder auf einen harten Wahlkampf einstellen. Denn ein denkbarer Gegenkandidat in dem traditionellen SPD-Stimmbezirk ist eben auch Noch-Ministerpräsident Peer Steinbrück.