Schaulager der Behauptungen

Mit einer Supershow in leeren Hallen lugte die Kunsthalle Basel auf die Angst der Kunst vor der Abwertung

Wäre es nicht wunderbar, in einer Kunsthalle zu stehen, sich über den Sinn der dargebotenen Kunst und die Funktionsweise unserer Gesellschaft zu unterhalten? Wie funktioniert eine Kunsthalle, wie finanziert sie sich, was macht den Wert der Kunst aus?

Diese Fragen behandelte und beantwortete die Künstlergruppe Superflex (Rasmus Nielsen, Jakob Fenger und Björnstjerne Christiansen) in ihrer Ausstellung Supershow in der Kunsthalle Basel auf besondere Art. Zu sehen war zwischen dem 17. April und dem 29. Mai eigentlich nichts – bis auf die leeren und großzügigen Ausstellungssäle, die sich in der repräsentativen Architektur vom Ende des 19. Jahrhunderts über zwei Stockwerke erstrecken. Jeder Saal war einzig und allein mit einer sorgfältigen Beschriftung seiner Größe, Höhe oder Belastbarkeit pro Quadratmeter versehen worden. Technische Angaben, die Künstler, Kuratoren, Ausstellungsarchitekten und Handwerker gleichsam wissen müssen, wenn eine neue Ausstellung ansteht.

„Gratis Eintritt + 2 Fr. kriegen“, verkündeten große Plakate schon auf der Straße. Wir besuchten die Ausstellung an einem Samstag im Mai. Tatsächlich versah die Dame an der Kasse unsere Eintrittskarten akkurat mit einer 2-Franken-Münze. Die Show beginnt. Nach den ersten zehn Metern treffen wir auf ein Ehepaar aus Bremen. Man kennt sich nicht. Wie könnten Argumente gegen eine solche Ausstellung lauten, in der nichts ausgestellt wird? Die Frau schmunzelt. Das muss ein Superschlauer sein. Geht gar nicht. – „Das war doch alles schon mal da“, meint ein elegant gekleideter Herr, der sich inzwischen zu uns gesellt hat. „Das hat die Konzeptkunst schon vor 30 Jahren gemacht.“ Große Verblüffung. Dürfen jetzt nur noch die Profis reden?

Wir schlendern weiter. Auf einmal steht ein Mitarbeiter aus dem international bekannten Stararchitekturbüro Herzog & de Meuron aus Basel vor uns: „Ich sehe so viele leere Ausstellungssäle in meinem Beruf und habe einen sehr kritischen Blick“, sagt er. Er hält die großen Beschriftungen der technischen Angaben für ein Zeichen mangelnder Radikalität der Künstler. Die hätten alles konsequent weglassen müssen.

Aber als ein junger Mann aus Berlin mit Schiebermütze und österreichischem Akzent verkündet, er habe nun in mehreren Unterhaltungen die Funktionsweise der Schweiz verstanden, wenden sich alle Blicke auf ihn. Nach zwei Besuchen hat er heute seine Spiegelreflexkamera mitgebracht und bittet um ein Foto. Wir lachen in den Apparat.

Aller Anfang ist einfach! Täglich füllte sich die Kunsthalle mit Besuchern, die so intensiv miteinander sprachen, wie man es bei anderen Ausstellung außer am Abend der Vernissage noch nie erlebt hat. Einige kannten sich bereits von mehreren Aufenthalten, pro Tag gab es nur einmal Geld. Wer denkt da nicht an die Bettler und Obdachlosen? Doch sie kamen nicht und konnten es wahrscheinlich auch gar nicht glauben.

Die Supershow markierte mit Leichtigkeit eine Art Nullpunkt. Denn schwer tun sich zurzeit viele Museen mit der Erhaltung der Werte, die die Kunst der letzten Jahre angeblich angehäuft hat. Oftmals erschöpfen sich die um Aktualität bemühten Ausstellungen in der Abbildung des Kunstmarktes, und die Angst geht um, dass der Kaufpreis nicht mehr adäquat zur inhaltlichen Bedeutung der Werke ist.

Einige aus der neuen Generation von jungen KünstlerInnen spüren das. Ein hervorragendes Beispiel für dieses Unbehagen steht in Basel nur einige Straßenbahnhaltestellen von der Kunsthalle entfernt: das Schaulager. Es ist ein bunkerhaftes Gebäude zum Zwecke der Endlagerung einer privaten Kunstsammlung. In klinisch weißen und klimatisierten Rumen hängen die Bilder hinter großen Stahltüren. Hier hat nur noch der Fachmann bzw. die Fachfrau Zutritt. Kurz gesagt: Es ist wie die Angst des Geldes, wertlos zu werden.

Mit Superflex hat der neue polnische Kunsthallendirektor Adam Szymczyk in Basel einen hervorragenden Einstand gegeben. Erst kurz nach Beendigung der Ausstellung habe ich erfahren, dass wir mit Schauspielern gesprochen haben! Noch besser!

MARTIN SCHMITZ