Neues deutsches Urlaubskino

Wem die Bulette nicht schmeckt, dem ist mit Tapas nicht geholfen: Peter Lichtefelds Spielfilm „Playa del Futuro“

Nix wie weg! Der Slogan eines Reisebüros hat es nicht nur – als Schleichwerbung – bis in den „Marienhof“ gebracht, er beflügelt auch immer mehr deutsche Filmemacher. Am Anfang war es Kuba. Dann schickte Peter Lichtefeld seine „Zugvögel … einmal nach Inari“. Zurzeit macht Hannes Stöhr in „One Day in Europe“ einen ganzen Kontinent unsicher, und Florian Gallenberger schießt sich mit „Schatten der Zeit“ ins indische Delirium. Musik schlecht. Essen schlecht. Leute doof. Die Bereitschaft, sich mit dem Problemstandort Deutschland noch weiter zu beschäftigen, lässt nach.

Deutschland, das ist Köln-Mülheim und die Bulettenkneipe der Jugendfreunde Jan, Rudi und seiner finnischen Freundin Kati. Finnland? Richtig, bei „Playa del Futuro“ handelt es sich um den neuen, zweiten Film von Peter Lichtefeld. Zu Finnland spürt er eine Verbindung, aber dazu später mehr. Zunächst geht es ihm darum, seine Figuren schleunigst aus dieser Tristesse rauszuholen. Und das geht so: Koch Jan (Peter Lohmeyer) fühlt sich mit den Buletten unterfordert, spanische Tapas sind sein Ding; Besitzer Rudi (Hilmi Sözer) wird es zu eng in Deutschland, weshalb er nach Andalusien verschwindet, um ein Hotel zu eröffnen. Jan bekommt die Kneipe und die Freundin gleich dazu, doch nach der glücklichen Renovierung – man ist jetzt ein spanisches Spezialitätenlokal – stellt sich heraus, dass Rudi seit Jahren keine Steuern gezahlt hat. Nachtrag: Steuern in Deutschland ganz schlecht, viel zu hoch.

Also muss Jan nach Spanien, um Rudi bzw. die veruntreuten Gelder aufzuspüren. Was Regisseur Lichtefeld erneut Gelegenheit gibt, den Fernwehgefühlen freien Lauf zu lassen. Züge spielen eine wichtige Rolle. Irgendwo in der menschenleeren andalusischen Landschaft halten sie an einem Bahnhof, der Playa del Futuro heißt, weil es hier zwar – leise Ironie – weit und breit keinen Strand, aber vielleicht eine Zukunft und ein kleines bisschen Glück zu finden gibt. Zugvögel und Wolken ziehen vorüber, langsam, vermutlich nach Inari. Von Rudi fehlt jede Spur, doch dafür entdeckt Jan, von allen traurigen Rollen Peter Lohmeyers die traurigste, diese Bar, in der sich drei alte Männer die Zeit vertreiben. Herrlich, diese ganz andere Lebensart! Und ließe sich aus der Bar nicht ein spanisches Spezialitätenlokal machen, um dem kleinen Glück …?

Kurz: „Playa del Futuro“ ist ein sterbenslangweiliger Film, der sich die Banalisierung edler Gefühle wie Sehnsucht und Melancholie zur Aufgabe gesetzt hat. Die Begegnung mit dem Fremden – auf einen deutschen Tapaskoch hat man hier gerade gewartet – liefert manch skurrile Anekdote und stiftet Sinn in der Krise der eigenen, unzufriedenen Existenz. Mit Lichtefelds Vorbild Aki Kaurismäki, dem finnischen Meister der Trostlosigkeit, hat dieses Trostkino nur die Entschleunigung gemeinsam. Bietet doch bei Kaurismäki jede Kopfbewegung mehr Action als hier ein ganzer Film. Die Ausnahme bilden ausgerechnet die Szenen, für die Lichtefeld Kati Outinen engagiert hat, das „Mädchen aus der Streichholzfabrik“. Sie spielt die Mutter der daheim gebliebenen Kati (Outi Mäenpäa). Das gemeinsame Warten auf Jan bezeichnet genau den Stillstand, aus dem bei Kaurismäki, für „skurrile“ Niedlichkeiten nicht zu haben, der Humor entsteht.

Letztlich ist es wohl eine Mentalitätsfrage, wie man sich zum neuen deutschen, ohne Frage zeitgemäßen Urlaubskino verhält. Manche Leute hätten sich eben mehr für die Buletten interessiert und dafür, wie man aus armseligen Zutaten etwas macht. Das deutsche Kino braucht mehr Buletten. Tapas sind was für Touristen. PHILIPP BÜHLER

„Playa del Futuro“, Regie: Peter Lichtefeld. Mit Peter Lohmeyer, Nina Petri u. a., Deutschland 2004, 90 Min.