Der Charme des zivilen Ungehorsams

Zehn Elternräte bilden ein „Komitee gegen Büchergeld“ und rufen zum Zahlungsboykott auf

Genervt von der Bildungspolitik dieses Senats sind Eltern schon lange, doch nun hoffen sie ein „Mosaiksteinchen“ gefunden zu haben, „um die Sparmaßnahmen zu behindern“, wie der Altonaer Vater Matthias Wisbar gestern erklärte. „Der Charme“ an dem geplanten Büchergeld sei, „dass es erst funktioniert, wenn alle mitmachen.“

Eltern sollten, wenn sie in diesen Tagen gefragt werden, ob sie ab August die Bücher für ihre Kinder mieten oder kaufen wollen, „unbedingt mieten“ ankreuzen, ergänzt Elternrat Günther Thomsen. Dann sei es möglich, wie 1983 bei der Volkszählung ein „Stück zivilen Ungehorsam“ zu zeigen und die Büchermiete einfach nicht zu zahlen.

Auf der Homepage des nun von zehn Elternräten von Billstedt bis Blankenese gebildeten „Elternkomitees gegen Büchergeld“ (www.kreiselternrat12.de und http://ElterngegenBuechergeld.blogg.de) hätten sich jedenfalls schon über 1.000 Eltern gemeldet, berichtet der Horner Elternrat Frank Ramlow. Er warnt die Eltern vor der Zahlung der derzeit auf 50 bis 100 Euro beschränkten Gebühren, weil „diese noch steigen werden“ in den kommenden Jahren. „Das Büchergeld ist diskriminierend“, ergänzt Eltenrätin Sabine Arnold. „Es zwingt sozial schwache Familien zur Offenlegung ihrer finanziellen Verhältnisse.“

Doch was passiert, wenn die Eltern nicht zahlen? Behördensprecher Alexander Luckow hatte bereits von „unsolidarischem“ Verhalten den übrigen Eltern gegenüber gesprochen, weil diese für die Boykotteure mitbezahlen müssten. Doch dies habe er nur im übertragenen Sinne als „unsolidarisch gegenüber dem Steuerzahler“ gemeint, wie er auf taz-Nachfrage erklärt.

Konkret übergeben die Schulen im August den Eltern einen Gebührenbescheid, der spätestens bis zum 31. des Monats bezahlt werden soll. Wenn nicht, so Wisbar, haben die Eltern „Schulden bei der Stadt“, die über die Landeshauptkasse eingetrieben werden. „Wenn es ganz dicke kommt, steht am Ende der Gerichtsvollzieher vor der Tür.“ Die zusätzlichen Mahnkosten dürften dabei „nicht mehr als 20 Euro“ betragen. Doch das Komitee hofft, bevor es soweit kommt, das Büchergeld mit einer breiten Boykottbeteiligung von 10.000 bis 20.000 Eltern zu kippen. Interessierte Eltern sollen am 21. Juni zu einer öffentlichen Sitzung in die Motte (Eulenstraße 43) kommen.

Unterdessen hat gestern die SPD-Abgeordnete Luisa Fiedler eine kleine Anfrage zu der Härtefallregelung gestellt, die es Schulleitern erlaubt, im Einzelfall arme Eltern von der Gebühr zu befreien. Fiedler will wissen, wann die Entscheidung für diese Regel getroffen wurde und warum in den Informationsschriften der Behörde davon keine Rede ist. Kaija Kutter