Linksbündnis? Nur eine Sozialdemokratie mehr!
: KOMMENTAR VON ROBERT MISIK

Ein Bündnis aus PDS und WASG wird zur Bundestagswahl antreten. Gut so. Es gibt ein weit verbreitetes Unbehagen an Kapitalismus und Kommerz, daran, dass alles zur Ware wird. Das Lamento über die „Ökonomisierung aller Lebensbereiche“ gehört auch im sozialdemokratischen Kernmilieu längst wieder zum guten Ton. Es wurde Zeit, dass dieses Unbehagen politisch repräsentiert wird. Immerhin, ein unstimmiger Klang im Einheitschor, der Politik genannt wird. Und doch kommt einem sofort das große Gähnen.

Was sich da vereinigt, sind Repräsentanten einer untergegangenen Epoche, die gemeinhin „Fordismus“ genannt wird: der formierten Gesellschaft mit ihren Arbeiterheeren und ihren festen Milieus. Das gilt paradoxerweise für die WASG noch mehr als für die PDS. Stark gewerkschaftlich geprägt, tummelt sich hier das westdeutsche Sozialmilieu der Siebzigerjahre; vornehmlich Männer, geprägt von der Institutionenpolitik, die sich grämen, dass die Zeit über sie hinweggegangen ist. Frustfaktor: hoch. Die PDS ihrerseits ist Erbin der ostdeutschen Abart der fordistischen Arbeiterbewegung. Sie hat den Vorteil, dass ihr das Erbe in derart zerschlissenem Zustand übergeben wurde, dass sie in den vergangenen 15 Jahren nicht darum herumkam, sich mental wenigstens teilweise zu modernisieren. Man könnte in gewissem Sinne sagen: In der Linkspartei werden die Ossis die Wessis sein.

Die Linkspartei ist das Symptom eines Mangels – aber sie behebt den Mangel nicht. Denn an den Dilemmata der Linken ändert sich nichts. Jetzt gibt es eine Sozialdemokratie mehr, eine eher traditionelle, die es immerhin zu einem Thema macht, dass Gerechtigkeitsnormen seit Jahren grob verletzt werden – die aber nicht weiß, wie das zu ändern ist; und die kulturell die Freiheitsgewinne nicht versteht, für die der Post-Fordismus eben auch sorgt. Was sich an Widerständigkeit, frischem Dagegensein, aber auch an Kreativität in den westlichen Gesellschaften tummelt, wird von solch dunkelgrauem Sozialismus weder repräsentiert noch organisiert. Vielfalt ist anderswo.