Tritt in die Fresse

Showdown aus Blut, Urin und Büchsenbier: Mirko Borschts realitätsnaher Spielfilm „Kombat Sechzehn“ ist ein verstörendes Debüt – mit Happy End

VON DAVID DENK

Dieser Film ist eine Zumutung. Genau 90 Minuten lang muss man anderen Menschen tatenlos beim Versagen zuschauen. Am Ende wird dann natürlich doch alles gut. „Kombat Sechzehn“, das Spielfilmdebüt des Cottbussers Mirko Borscht über Neonazis in Frankfurt (Oder), hat ein Happy End, doch die Realität, weiß man, ist grausamer als jedes Drehbuch. Beispiele dafür rauschen durch den Kopf: Potzlow, die Ermordung des Mosambikaners Alberto Adriano in Dessau, Hoyerswerda, Mölln, Solingen. Auch deswegen verlässt man das Kino schließlich paralysiert und tapert benommen durch die Kulturbrauerei, als wäre auch einem selbst gerade ins Gesicht getreten worden – und im übertragenen Sinne stimmt das wohl auch.

Verglichen mit dem Showdown aus Blut, Urin und Büchsenbier fängt alles relativ harmlos an: Der 16 Jahre alte Georg (Florian Bartholomäi) zieht mit seinem allein erziehenden Vater Andreas (Falk Rockstroh) von Frankfurt am Main nach Frankfurt (Oder), weil dieser dort ein Einkaufscenter bauen soll. Georg ist sauer auf seinen Vater, weil er deswegen seine Freundin Jasmin (Isabelle Mbarga) zurücklassen muss und damit auch seinen Traum vom hessischen Landesmeistertitel im Taekwondo begraben muss. Und dann hat ihr neues Haus noch nicht mal den versprochenen Trainingsraum. Das quietschbunte Reihenhaus inmitten von ödem Brachland und umzingelt von grauen Plattenbauten, eines von vielen entrückten Ufo-Bildern von Kameramann Alex Fischerkoesen, ist hier genauso ein Fremdkörper wie Georg selbst.

Durch eine Reviermarkier-Prügelei erwirbt Georg sich schließlich den Respekt seines Klassenkameraden Thomas (Ludwig Trepte), der für zwei tumbe Kumpels „mitdenkt“, wie er selber sagt. Das reicht schon, um ihm die Aura eines rechten Verführers zu geben. Georg geht zunächst auf Distanz, gerät nach und nach, erst recht nachdem er seine Freundin beim Fremdgehen erwischt hat, dann doch immer mehr in eine rechte Clique, die von Daniel im schicken Fred-Perry-Auftritt angeführt wird – ein gelungener Gastauftritt für Matthias Schweighöfer.

Ansonsten bekommt es dem Film allerdings sehr gut, dass er auf die üblichen Verdächtigen der deutschen Jungschauspieler verzichtet und stattdessen auf unverbrauchte Gesichter setzt, bei denen man nicht automatisch ihre Rollen in irgendwelchen Popcorn-Produktionen mitdenkt.

Daniel ist nur einer von vielen, die sagen, dass „der hier nicht hinpasst“. Gemeint ist natürlich Georg, der so zusehends zwischen die Fronten gerät, weil er sich wegen dieses Umgangs, der nicht mit ihm umgehen will, mit seinem Vater und der wundersamerweise auch in der Stadt wohnenden großen Schwester Anke (Christine Diensberg), einer Künstlerin, zerstreitet.

Ihr Versagen ist, dass sie Georg keine Orientierung geben, sondern es bei hohler „Nazis, bääh, böse, böse, böse“-Rhetorik bewenden lassen. Sie brüllen und schlagen, als sie sehen, dass er sich in einem Frust-Kurzschluss eine Glatze geschoren hat. Aber brüllen und schlagen können seine neuen Freunde besser. Georgs Versagen ist, dass er in deren scheinbaren Rückbesinnung auf verloren gegangene Werte wie Gerechtigkeit, Mut und Kameradschaft eine Art Geistesverwandtschaft zu den Regeln seines Kampfsports zu finden glaubt.

Nie weiß man, ob Georg und Thomas sich gerade fernöstlicher oder rechter „Weisheiten“ bedienen. Wahrscheinlich wissen sie es selbst nicht. Auf ihrer albtraumhaften Sinnsuche klammern sie sich wahllos an alles, was Halt verspricht. Am Ende des Films, nachdem beide von ihren „Kameraden“ übel zugerichtet wurden und kurz bevor die Kampfkunst die Prügelei endgültig besiegt, haben sie in einer innigen Umarmung einen Halt gefunden, der halten könnte, was er verspricht: einander.

„Kombat Sechzehn“. Regie: Mirko Borscht. Mit Florian Bartholomäi, Ludwig Trepte u. a. Deutschland 2005, 90 Minuten