Verrätergesellschaft

Doppelte Uraufführung am Bremer Theater: Peter Weiss’ „Inferno“ in der Vertonung von Johannes Kalitzke. Es fehlt jedoch an Tiefenschärfe

Bremen taz ■ Die doppelte Uraufführung einer Oper von Johannes Kalitzke und eines Schauspiels von Peter Weiss am Bremer Theater präsentierte sich in der Inszenierung David Mouchtar-Samorais zwar lautstark und verspielt. Sie blieb aber letztendlich viel zu artifiziell, um rüberzubringen, um was es doch gehen sollte: Am Beispiel des historischen Dichters Dante, der nach seinem Exil zurück in seine Stadt Florenz kommt, wird dem Publikum ein gewalttätiger, für den Betroffenen letztendlich tödlicher Anpassungsprozess vorgezeigt – an eine kapitalistische Gesellschaft, die nur Konsum kennt und zur Utopie nicht mehr fähig ist.

In der Vorlage von Peter Weiss (1965) überlagern sich dabei das Schicksal Dantes mit seinem eigenen Exil und seiner Rückkehr in die neue Bundesrepublik. Mit solcherart Überlagerungen hatte Kalitzke sich auch schon im 1998 in Bremen uraufgeführten Molière beschäftigt, in dem es anhand der Aufführung von Molière um Stalin und den Dichter Bugalkov ging.

Kalitzke hat das Buch formal in Kreisen komponiert, die auch zusammen mit quadratischen Labyrinthen auf der Bühne von Heinz Hauser zu sehen sind. Er nutzt Tanzsymbole wie Marsch, Ragtime, Valse, Boogie, aber auch musikalische Formen wie Litanei, Toccata oder Aria. Doch so neu, einfallsreich und überzeugend viele Klänge mit dem großen Orchesterapparat auch wirken, so wenig will sich das Ganze in eine Logik fügen, die auch das Publikum zu bedrängen in der Lage ist. Es bleibt zu sehr bei einem gekonnten Patchwork, dass genau durch diese Art nur auf der Unterhaltungsebene haftet. Dazu kommt eine sehr unentschlossene und uncharakteristische Behandlung der Singstimmen, die ihr Schwergewicht hauptsächlich in einem expressiven Wohlklang sucht.

Die Inszenierung ist trotz harmonisch arrangierter Bilder und regelrecht musikalischen Bewegungsabläufen kaum in der Lage, eine solche Anlage, die Kalitzke „schwarze Show“ nennt, umzusetzen, weil den zum Teil karikatural erfundenen Bildern die Tiefenschärfe fehlt. So bleibt ein interessanter Abend, der, gemessen am Sujet, zu wenig unter die Haut geht. Der Einsatz des Philharmonischen Orchesters, des Chores und des Soloensembles – allen voran Armin Kolarczyck als dauerpräsenter Dante – war dagegen durchweg begeisternd.

Ute Schalz-Laurenze

Nächste Aufführungen am 17., 24., 28. und 30. Juni, 2., 6. und 8. Juli