Entschulden kostet Entwicklungshilfe

Der angekündigte Erlass von Krediten der ärmsten Länder hat einen Haken: Die Entwicklungsbanken kürzen die direkten Hilfen um die gestrichenen Schulden. Kritiker sprechen nun von einem „Nullsummenspiel“, die Bundesregierung von „Gerechtigkeit“

VON STEPHAN KOSCH

Der am Wochenende von den Industriestaaten vereinbarte Schuldenerlass läuft nach Einschätzung von Nichtregierungsorgansiationen auf ein Nullsummenspiel für die Entwickungsländer hinaus. Dies habe eine genauere Prüfung des Communiques ergeben, das die Finanzminister der G-8-Staaten verfasst haben, erklärten jetzt die Mitglieder der Kampagne „erlassjahr.de“ und das Europäische Netzwerk zu Schulden und Entwicklung (Eurodad).

Zwar würden 18 hoch verschuldeten Ländern in der Tat ihre Kredite beim Internationalen Währungsfonds, der Afrikanischen Entwicklungsbank und der Weltbank-Tochter IDA erlassen. Jedoch werde der Erlass von den Entwicklungshilfegeldern dieser Institutionen wieder abgezogen. Die beiden Netzwerke beziehen sich mit ihrer Interpretation auf einen Passus im Kommunique, in dem für IDA und Afrikanische Entwicklungsbank die „Anpassung der Bruttofinanzhilfen in Höhe der erlassenen Summe“ vorgesehen ist.

„Somit gewinnt das Land durch den Schuldenerlass selbst nichts“, sagt Jonas Bunte von „erlassjahr.de“. Gewinner seien hingegen die genannten Entwicklungsbanken. Denn sie bekommen die erlassenen Summen von den G-8-Staaten ersetzt. So könnten sie schwer einbringbare Forderungen aus ihren Büchern streichen und erhielten für ihr operatives Geschäft in voller Höhe Ausgleichszahlungen. Bunte: „Den eigentlichen Preis dafür zahlen jedoch die überschuldeten Länder.“

In der Bundesregierung wird dies jedoch anders gesehen. „Die entschuldeten Entwicklungsländer können nun ihre knappen Mittel für Bildung und Gesundheit ausgeben – anstatt für den Schuldendienst,“ erklärte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf Anfrage der taz. Von einem Nullsummenspiel könne keine Rede sein. Für die 18 besonders tief verschuldeten (HIPC)-Länder ergebe sich definitiv ein zusätzlicher Finanzspielraum durch den multilateralen Schuldenerlass. Nach ersten Berechnungen profitierten die HIPCs im Durchschnitt etwa zu 50 Prozent von zusätzlichen Ausleihungen.

Denn die Ausgleichszahlungen der G-8-Staaten sollten wieder von der IDA ausgezahlt werden – allerdings nach einem bestimmten entwicklungspolitischen Schlüssel verteilt an alle 81 von der IDA unterstützen Länder. So werde einer zunehmenden Ungleichbehandlung von besonders tief verschuldeten Ländern (HIPCs) und anderen entgegen gewirkt, meint das Ministerium.

Erlassjahr.de hingegen sieht die HIPCs im Hintertreffen. Das entschuldete Land enthalte nach der neuen Regelung „im besten Falle nur sehr geringe zusätzliche Mittel, um die Millenniumsentwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen“.