Honeckers Göttinnen

Morgen werden die letzten Staatskarossen von Erich Honecker versteigert. Wer die will und warum? Na, nirgends ist die Aura der Macht größer als in den Sitzpolstern des Staatsratsvorsitzenden

VON MARTIN REICHERT

Nicht gerade Görings Yacht „Carin II“, aber immerhin Erich Honeckers hydropneumatisch gefederte Citroën-CX-Sänften kommen am Samstag bei einer „Sonderauktion“ des Berliner Immobilien-Auktionators Mark Karhausen unter den Hammer. Nein, nicht bei eBay, denn dort werden bereits „original Socken von Erich Honecker, noch nie benutzt“ aus der Produktion der VEB Strumpfwerke „Max Roscher“ angeboten.

Die Socken mit der Größe 28 werden derzeit für 1 Euro feilgeboten, für die Stretchlimousine mit einer Länge von 5,50 Metern müssen hingegen mindestens 18.000 Euro geboten werden, viel Geld für ein über 20 Jahre altes Fahrzeug, das nicht mal einen geregelten Katalysator hat, aber dafür über Blaulicht und Standartenträger verfügt. Allerdings bezahlen Menschen ja auch 189.000 Euro für einen Golf Diesel, wenn es sich dabei um ein Papamobil handelt.

In den fahrbaren faradayschen Käfigen der Mächtigen scheint sich deren Aura von Wichtigkeit zu konservieren: Hey, in dieses Polster hat Erich persönlich gepupt! Die Nachbesitzer hoffen, einen Abglanz von Prominenz und Wichtigkeit zu erhaschen, ein Stück Geschichte zu erwerben. Man hofft irgendwie zu sein, was man fährt – oder die Prominenz des Autos zu Werbezwecken einsetzen zu können, wie im Falle des Ratzinger-Golfs.

Honecker liebte seine Citroën CX Prestige, Nachfolgemodell der legendären Göttin DS, aufgrund der bequemen Polsterung und der Gasdruck-Federung, die kaputte DDR-Straßen erträglich machte – ein schönes Symbol für die Abgehobenheit der Funktionärskaste und andere Privilegierte des Arbeiter-und Bauern-Staates, denen ideologisch gesehen ein „Citröhn“ 2 CV viel besser gestanden hätte. Klappfenster und Rolldach statt elektrischer Fensterheber und Klimaanlage; zudem ein Auto, in dem man den Hut anbehalten konnte.

In Westdeutschland war der CX, ähnlich den großen Modellen von Volvo und Saab, bevorzugtes Gefährt von linken Besserverdienern: so teuer wie ein Mercedes, aber mit eingebautem Understatement statt Stern auf der Haube. Oberstudiendirektoren fuhren damit zur Schule, Lea Rosh zu Diskussionsrunden über Umweltverschmutzung, und WDR-Schimanski jagte mit einem CX turbodieselnd Verbrecher – ein ungewöhnliches Auto für ungewöhnliche Leute, das konsequent mit der avantgardistischen Pop-Ikone Grace Jones beworben wurde.

Allerdings wird man sich über solcherlei komplexes Distinktionsgebaren in der DDR-Staatsführung keine Gedanken gemacht haben, ein Mercedes oder BMW war hier aus ganz anderen Gründen nicht Staatskarossen-tauglich.

Der Citroën CX war ein schönes und zu seiner Zeit innovatives Automobil. Er wird allerdings, ausgerechnet, seit 1989 nicht mehr gebaut. Das passende Wahlkampfgefährt für Oskar Lafontaine und Gregor Gysi? Wäre noch origineller als Lothar Biskys rotes Trabbi-Cabriolet aus NVA-Beständen, denn schließlich sollen Ost- und Westlinke zusammengeführt werden (Filmidee für Helmut Dietl inklusive). Zudem wäre es für die Demokratische Linke/PDS kein rausgeschmissenes Geld: Der Erlös der Versteigerung geht zum Teil an den Berliner Verein „Kinderträume“.