Verhöhntes Fest

Schwedische Ikea-Zentrale verbietet in letzter Minute deutsche Werbespots mit Halbnackten und Betrunkenen

STOCKHOLM Seltsame Typen in Volkstracht, die wie Frösche im Kreis herumhüpfen. Männer, die sich sturzbetrunken im Schlamm wälzen. Halbnackte Blondinen, die sich auf der mit der Nationalflagge bedeckten Motorhaube eines Volvo vergnügen. Und eine Festgesellschaft, die sich grölend den Schnaps aus Plastikkanistern hinter die Binde kippt und sich mit Essen bewirft. So sieht das schwedische Mittsommerfest aus. Darf man dem neuesten TV-Reklamefilm von Ikea glauben. Der passend zum schwedischen Mittsommerfest am kommenden Wochenende über deutsche Mattscheiben flimmern sollte. Doch nun vom schwedischen Mutterkonzern noch vor den ersten Ausstrahlungen an diesem Montag kurzerhand gestoppt wurde.

„Das Gefühl und die Stimmung, die in diesen Filmen herübergebracht wird, gefällt uns nicht“, erklärte die schwedische Ikea-Chefin Eva Ståhl der Stockholmer Tageszeitung Svenska Dagbladet: „Das ist weder für Schweden noch für Ikea repräsentativ.“ Die Zeitung hatte einen Entrüstungssturm ausgelöst, als sie am Freitag letzter Woche als Erste von dem aktuellen Reklameeinfall der deutschen Ikea-Tochter berichtet hatte. Um klar zu machen, wie der SchwedInnen liebstes Fest da im deutschen Fernsehen verhunzt werde, hatte das Blatt auch gleich die drei Filmchen zum Anschauen auf seine Internetseite gelegt. Am Wochenende zog die Boulevardpresse nach: „Ikea-Deutschland verhöhnt die Schweden und ihr Mittsommerfest!“ verkündete das auflagenstärkste Aftonbladet. Danach konnte Ikea nur noch die Notbremse ziehen.

„Wir haben das ironisch gemeint“, erklärte sich der Presseverantwortliche von Ikea-Deutschland. Und behauptete in Svenska Dagbladet: „Hier in Deutschland haben wir solche Sitten nämlich nicht. Ich meine damit, dass erwachsene Menschen wie Frosche im Kreis hüpfen und zu viel Alkohol trinken.“ Die Mittsommerkampagne von Ikea war angeblich in Deutschland ohne Kenntnis der Zentrale entwickelt worden. Ihre Botschaft: „Zum Glück haben wir nur das Beste vom schwedischen Mittsommerfest importiert – die wahnsinnig niedrigen Preise.“ Am Mittwoch letzter Woche im Internet gestartet, sollte die Kampagne eigentlich heute mit den TV-Werbespots und am 27. Juni mit Radioreklame fortgesetzt werden. Ob letztere – erfundene – Nachrichten vom schwedischen Mittsommerfest in der Art: „Ein Wildschwein sollte geschlachtet werden, doch im letzten Augenblick entdeckte man, dass es der Förster Sune war.“ – womöglich ebenfalls der Zensur des Mutterhauses zum Opfer fallen werden, ist noch nicht klar.

Laut Eva Ståhl ist es das erste Mal in der Ikea-Geschichte, dass die Zentrale eine nationale Werbekampagne stoppt. Zur großen Zufriedenheit eines Komparsen, den Aftonbladet ausfindig machte und der behauptet, dass vielen im Schauspielerteam „sehr unwohl über dieses schiefe Bild“ gewesen seien. LeserInnenkommentare in den Internetforen der Medien sind sich da teilweise nicht so sicher. „Das ist doch wohl ein Dokumentarfilm?“, fragt da ein Leser. Und ein in die USA ausgewanderter Schwede erinnert sich: „Genau, das ist Mittsommer.“ REINHARD WOLFF