Zwischen Schadenfreude und Sorge über EU

Gipfel EU–USA: US-Konservative sehen Europa auf dem Irrweg, Realisten suchen weiter Partnerschaft mit der EU

WASHINGTON taz ■ Normalerweise findet das turnusmäßige Arbeitstreffen zwischen der US-Regierung und den EU-Spitzen hierzulande wenig öffentlichen Widerhall. Doch aufgrund der Krise in Europa nach gescheiterten Verfassungsreferenden und Finanzverhandlungen blickten die politischen Zirkel jetzt neugierig auf das Meeting.

Wie zu erwarten wurden transatlantische Freundschaft und gemeinsame Werte beschworen. US-Präsident George W. Bush bekannte sich wie immer seit seiner Wiederwahl zu einem starken Europa. So könne man am Besten weltweit Demokratie und Wohlstand verbreiten. Was die „aktuellen Probleme“ der EU betreffe, sagte sein Sprecher milde, seien dies interne Angelegenheiten. Kein Grund zur Aufregung für die USA.

Doch was den gelähmten Partner betrifft, schwanken hinter den Kulissen die Reaktionen zwischen Schadenfreude und Sorge. Abgesehen vom Frohlocken vieler Konservativer über den tiefen Fall des unbeliebten Jacques Chirac und baldigen Abgang von Gerhard Schröder als späte Rache an den Irakkriegsverweigerern, herrscht bei ihnen das Gefühl, Europa spiele schlichtweg keine gewichtige Rolle mehr auf der Weltbühne.

Im wohlwollenden Fall betrachten sie die Alte Welt, den einstigen Kriegsherd, nun als befriedet und weitgehend stabil. Amerika kann sich daher anderen Regionen widmen: dem arabischen Raum im Kampf gegen islamische Extremisten und Asien als wirtschaftlichem Widersacher. Ansonsten sei Europa eine stagnierende Wirtschaftsmacht mit überalterter Bevölkerung, unbezahlbarem Sozialstaat und mangelnder Verteidigungskraft. „Der Bankrott der europäischen Strategie ist nun offensichtlich“, schreibt der Publizist Max Boot. Europa halte an einem ausufernden Wohlfahrtssystem fest, obwohl es nicht mehr zu finanzieren sei. „Ein Irrweg“ laut Wall Street Journal.

Realisten warnen jedoch davor, Europa den Rücken zu kehren. Amerika sei auch in Zukunft auf den alten Kontinent angewiesen. Er bleibe engster Verbündeter und wichtigster Handelspartner. Ein schwaches Europa sei nicht im Interesse der USA, meint Expräsidentenberater Tony Blankley. „Chaos in Europa ist ungesund für uns.“ Europäische Nabelschau bedeutete weniger Engagement für globale Herausforderungen.

Könnte Bush nach seiner Spaltpilz-Politik zum Irakkrieg auch zur Einsicht gelangt sein, dass die US-Außenpolitik erfolgversprechender und legitimer im Verbund mit Europa ist – siehe Iran, Ukraine, Libanon oder Irak-Wiederaufbau? Wer seine Haltung zu Europa nicht nur zynisch betrachtet, muss feststellen, dass er keinen Kontinent so häufig besucht hat und als erster US-Präsident zur EU-Kommission nach Brüssel reiste. Vielleicht war es am Montag nicht nur höfliche Rhetorik. MICHAEL STRECK