Wissen wird einfach verschenkt

Flüchtlinge, insbesondere Frauen, sind oft hochqualifiziert. Doch ihr Wissen wird in Deutschland kaum genutzt – zu ihrem Schaden und dem der Gesellschaft. Dies belegt eine Berliner Studie

VON ADRIENNE WOLTERSDORF

Frauen, die aus Krisengebieten nach Deutschland flüchten und hier bleiben müssen oder wollen, haben meist eine erschreckend geringe Chance auf eine berufliche Zukunft. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die das Forschungsprojekt prointegra beim Deutschen Institut für Menschenrechte, Berlin, morgen der Öffentlichkeit vorstellen wird. Dazu wurden 61 in der Region Berlin und Brandenburg lebende Flüchtlingsfrauen interviewt und deren gescheiterte Integration analysiert.

Ergebnis: Gravierende Mängel gibt es bei der Identifikation der Ressourcen, beim Qualifikationstransfer und beim diskriminierungsfreien Zugang zur Arbeitsförderung und -vermittlung. Als Folge bleiben „die Ressourcen insbesondere der Flüchtlingsfrauen für die Gesellschaft in Deutschland verborgen“, sagt Monika Kadur, Menschenrechtsexpertin und Ko-Autorin der Studie.

Dabei sind die Flüchtlinge häufig hochqualifiziert, motiviert, vielsprachig und haben allein schon dadurch, dass sie es bis nach Deutschland geschafft haben, gezeigt, dass sie sich durchsetzen können. Offenbar leistet es sich Deutschland, auf Hochqualifizierte mit interkultureller Kompetenz und Durchsetzungsvermögen zu verzichten. Und der Arbeitsmarkt interessiert sich, so scheint es, trotz Internationalisierung der Arbeit nicht für solche Fähigkeiten. Vielmehr bringt der Staat einige Energie auf, um die Migranten mit Hilfe der Ausländerbürokratie aufs Abstellgleis zu schieben. Und zwar so lange, bis sie zu den Sorgenfällen werden, zu denen sie die Gesellschaft dann gerne erklärt.

Die Studie analysiert daher die Vielfalt an Hürden, die es Flüchtlingen und MigrantInnen hier schwer machen, Fuß zu fassen – und für sich selbst zu sorgen. Neben der fehlenden Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen sind dies vor allem langjährige Arbeitsverbote und die geringe Möglichkeit, Sprachkurse zu besuchen.

Weder die Arbeitsämter noch die Industrie- und Handels- oder Handwerkskammern, so verdeutlicht die Studie, verfügen über das notwendige Instrumentarium, um fremde Abschlüsse anerkennen oder bei Qualifikationstransfers behilflich sein zu können. Allen Institutionen gemeinsam fehlt es an den spezifischen Möglichkeiten, Ressourcen solcher Arbeitsuchender überhaupt identifizieren zu können, ganz zu schweigen von interkulturell kompetentem Personal. So haben MigrantInnen kaum eine Chance, in andere Jobs als „Reinigungskraft“ vermittelt zu werden. Eine Erkenntnis, zu der auch das Jahresgutachten 2004 des Sachverständigenrates für Zuwanderung und Integration kommt.

Studie unter: www.institut-fuer-menschenrechte.de/sl.php?id=75 siehe auch SEITE 23