„Nicht von den Ängsten leiten lassen“

Die Alternative zur Gentechnik? Das sind künstliche Gene aus dem Atomkraftwerk, sagt Experte Udo Pollmer

taz: Herr Pollmer, wie gefährlich ist Genmais?

Udo Pollmer: Ein Restrisiko existiert, aber was ist mit den Alternativen? Es gibt einen dunklen Punkt in der Diskussion: Niemand will wissen, wie vor der Gentechnik gezüchtet wurde. Etwa die Mutationszüchtung: Da wurde ein Sack Getreide ins Atomkraftwerk gefahren und bestrahlt, damit Missbildungen entstanden. Davon waren vielleicht zwei Pflanzen zu gebrauchen. Sie wurden dann in normale Sorten eingezüchtet. Das waren künstliche Gene aus der Atomwirtschaft. So wurden alle Nutzpflanzen verändert.

Aber die Mutationszüchtung wird nicht mehr angewandt.

Ohne Gentechnik kehrt die Mutationszüchtung zurück. Sie ist zwar aufwändiger für die Saatindustrie – aber weil es keinerlei rechtlichen Rahmen gibt, muss man keine Experimente mit Ratten durchführen und hunderte von Ordnern anlegen, damit hinterher ein Beamter seinen Stempel anbringt. Die Atomwirtschaft hat sich bei den Kritikern bedankt für ihren Widerstand gegen die Gentechnik.

Geht es nicht ohne gravierende genetische Eingriffe? Die Biobauern werben mit „Urkörnern“ und Wildsorten.

Konsumententäuschung. Gerade die Biobauern sind auf Sorten angewiesen, die Gene enthalten, die künstlich im AKW erzeugt wurden. Denn die alten Nutzpflanzen haben nicht immer Resistenzgene gegen die neuen Schädlinge und Krankheiten. Die Abwehrkräfte müssen hineingekreuzt werden, damit die Biobauern zuverlässig Erträge erwirtschaften – zumal wenn sie keine Pestizide benutzen wollen.

Und was empfehlen Sie? Doch die Gentechnik?

Das hängt vom Einzelfall ab. Bei Pflanzen mit vielen genetischen Varianten reicht die Kreuzung. Anders etwa bei der Banane, die eine enge genetische Basis hat: Die erfolgreichste „Bananenrepublik“ ist Österreich – weil sie das Saatgut in ihrem Forschungsreaktor Seibersdorf bestrahlt.

Und was soll der Konsument jetzt machen?

Sich nicht von Ängsten leiten lassen. Auch normale Kreuzungen können gefährlich sein. Es muss für alle Züchtungsmethoden vergleichbare Maßstäbe geben – nicht nur für die Gentechnik.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN