„KRIEG DER WELTEN“: FILMJOURNALISMUS GEHT IN FILMWERBUNG ÜBER
: Zucker, Brot und Peitsche

Wer als Filmkritiker Steven Spielbergs neuen Film „Krieg der Welten“ mit Tom Cruise in der Hauptrolle in der vorgezogenen Berliner Pressevorführung sehen wollte, musste ein „Embargo“ unterschreiben und darin zusichern, „keine Kritik o. Ä.“ vor dem weltweiten Starttermin am 29. Juni zu veröffentlichen. Die Proteste dagegen sind berechtigt, kommen aber etwas spät. Denn dass die Kritiker die Auflagen großer US-Filmverleihe als unverhältnismäßig wahrnehmen, ist keine neue Erscheinung. Das „Embargo“ passt in eine ganze Reihe von Maßnahmen, die eine unabhängige Filmkritik erschwert, indem sie sie den Plänen der Marketingabteilungen unterwirft.

Vergleichsweise harmlos ist noch das Datum der regulären Pressevorführungen von „Krieg der Welten“: zwei Kalendertage vor dem Start, also ein Arbeitstag bis Redaktionsschluss. Für eine kurze Rezension mag das genügen, nicht aber für einen reflexiven, längeren Text zu Spielbergs Film. Derlei liegt offenkundig nicht im Interesse des Verleihs. Misslich ist auch, wie Interviews mit Regisseuren und Schauspielern angeboten werden: in Gruppengesprächen von sechs, acht, zehn Journalisten. Unter Zeitdruck bleibt da ein intensiveres Gespräch mit kritischen Fragen in der Regel aus. Bisweilen gar werden fertige Interviews kostenlos über einen PR-Dienst angeboten – zum „Krieg der Welten“ auch.

So verwischt die Grenze zwischen Journalismus und Werbung. In den USA ist diese Entwicklung so weit fortgeschritten, dass Filmjournalisten sich zu so genannten Junkets einladen lassen: Sie reisen auf Kosten des Verleihs zu einem Filmset, um eine Reportage über die Dreharbeiten zu verfassen. Berichten sie irgendetwas Negatives, müssen sie befürchten, kein zweites Mal eingeladen werden. Aber nicht nur die großen Verleihe trifft hier Schuld, sondern auch die Journalisten, die das alles mit sich machen lassen – die für ein Autogramm von Tom Cruise jede professionelle Distanz aufgeben. Und mehr noch die Chefredaktionen, die ein locker geschriebenes Feature mit Celebrity-Appeal jeder Filmkritik vorziehen. CRISTINA NORD