„Genmais ist ein Labor auf dem Acker“

Agrarexperte Klaus-Peter Wilbois: Gentechnik ist gefährlich, weil sie die Kontrollmechanismen der Pflanze ausschaltet

taz: Herr Wilbois, müssen wir vor Genmais Angst haben?

Klaus-Peter Wilbois: Es gibt bislang unüberschaubare potenzielle Risiken. So lange sollte es keinen Genmais oder Genraps auf den Feldern geben.

Was ist die Alternative? Es verbreiten sich ständig neue Schädlinge – darauf muss die Züchtung reagieren.

Es gibt bei allen Arten eine riesige genetische Vielfalt, die man nutzen kann. Da braucht man keine Gentechnik.

Kann nicht auch die klassische Kreuzung gefährlich sein? Es gab Kartoffeln, die aus dem Verkehr gezogen wurden, weil sie zu giftig waren.

Durch lange Erfahrung mit der Natur hat der Mensch gelernt, damit umzugehen.

In der Vergangenheit, aber was ist mit neuen Kreuzungen?

Es besteht ein entscheidender Unterschied zur Gentechnik: Bei den klassischen Züchtungen werden die entstandenen Kreuzungsprodukte wieder und wieder ausgesät, bevor sie in den Anbau kommen. Über viele Generationen kann die Pflanze entscheiden, ob sie mit den neuen Eigenschaften weiterleben will. Was nicht passt, wird eliminiert – oder die Pflanze eliminiert sich selbst. Sie wird steril oder stirbt ab. Die Pflanze hat einen hochkomplexen Kontrollmechanismus; dies wird in der klassischen Züchtung genutzt, um Risiken zu minimieren.

Bei der Gentechnik nicht?

Nein. Beim Genmais wird den Bauern jedes Jahr neu erstelltes Saatgut verkauft. Die Firmen fürchten sich vor den Kontrollmechanismen der Pflanze, die über mehrere Generationen wirken. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass der Genmais schon im zweiten Jahr zum Beispiel seine Schädlingsresistenz teilweise verlieren würde, weil die Pflanze diese Eigenschaft abstößt.

Warum sollte sie das tun?

Beim Genmais entsteht etwas völlig Neues: eine Art „Labor auf dem Acker“. Die Pflanze stellt plötzlich in allen Organen ein Insektengift her, also eine Chemikalie.

Sind nicht alle Pflanzen aus dem Labor? Der Lebensmittelexperte Udo Pollmer hat vorgestern in der taz erklärt, selbst Biobauern würden Saatgut mit Genen verwenden, die zum Teil durch atomare Bestrahlung verändert wurden.

Diese Mutationszüchtung ist nur eine von vielen Möglichkeiten, genetische Variationen zu erzeugen. Erbgut wurde auch durch Hitze, Kälte oder Chemikalien verändert.

Ist das ein Unterschied? Klingt alles nach Labor.

Wir züchten auch mit vielen Wildarten wie Gerste aus Äthiopien, die widerstandsfähiger gegen Pilze ist. Vor allem aber: Ob Mutationszüchtung oder andere klassische Verfahren – sie simulieren nur die natürlichen Prozesse und lassen der Pflanze die Chance, die angezüchteten Eigenschaften auszuscheiden. Das ist bei der Gentechnik anders.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN